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Tandem für Frieden

Mit dem „Sprachtandem“ bringen sich Berliner unterschiedlicher Herkunft gegenseitig ihre Sprache bei

Der Weg ist das Ziel. Nicht der Preis. Helga Wilderotter-Ikonomou vom Goethe-Institut sagt das. Und sie sagt das gleich zweimal. Keiner der Journalisten soll glauben, dass die künftigen Teilnehmer des Sprachtandems lediglich nach den Sprachstipendien für die erfolgreichsten Lerngruppen gieren.

Gleich sechs Damen und Herren erklärten am Donnerstag im Goethe-Institut in Mitte dieses Projekt Sprachtandem. Das Prinzip ist bereits an diversen Universitäten erprobt und recht simpel: Zwei Personen finden sich zusammen, um sich gegenseitig ihre Sprache beizubringen. Ort und Zeit diesen privaten Sprachunterrichts bestimmen sie selbst. Umsonst ist es auch. In Berlin haben sich drei Stellen zusammengefunden, die das Prinzip Sprachtandem erstmals stadtweit organisieren wollen: Die Ausländerbeauftragte Barbara John, das Berliner Goethe-Institut und Radio Multikulti. In das Tandem setzt John große Hoffnungen: Im Sprachenkessel Berlins sollen die Bürger mit den neuen Sprachkenntnissen das Gefühl der „Kontrolle über das vielfältige Leben in der Stadt“ wiedergewinnen. Also ein „Beitrag zum friedlichen – wenn auch nicht konfliktfreien – Zusammenleben“, so hieß es hoffnungsfroh.

Ab Montag verschickt das Büro der Ausländerbeauftragten Anmeldeformulare an Firmen mit hohem Ausländeranteil, an Gewerkschaften, Kirchen, ausländische Verbände und Kulturinstitute. Geworben wird auch bei Radio Multikulti. Die Tandems sollen sich entweder direkt vor Ort zusammenfinden oder werden über das Büro der Ausländerbeauftragen vermittelt.

Ob sich das Interesse nicht auf die „klassischen“ Tandems mit Englisch, Französisch und Spanisch konzentrieren werde, wollten Journalisten wissen. Woher dann der neue Friede, woher die neue Sicherheit? Na ja, auch Japanisch, Bulgarisch, Türkisch seien „im Kommen“, hieß es.

Trotzdem wird wohl nicht jeder einen Tandempartern finden. Eine ältere Dame mit unverkennbar osteuropäischem Akzent meldete sich zu Wort und beklagte, dass sie seit Jahren jemanden suche, der sein Russisch verbessern wolle. Reinhard Maiworm, Leiter des Goethe-Instituts, sah mäßig glücklich aus, und Barbara John sagte ausweichend: „Das werden wir sehen.“

Sobald sich tatsächlich Sprachtandems zusammengefunden haben, erhalten sie vom Goethe-Institut ein „coaching“ (Maiworm). Die Tandems sind vorläufig bis Frühsommer 2002 geplant. „Wie die Tandems organisiert werden können, werden wir auch mit den Partnern lernen“, sagte John.

Sollte das Tandem auch den Frieden nach Berlin bringen, eines ist es dennoch nicht: ein Sprachkurs für Leute, die aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse keine Arbeit finden. „Es geht darum“, sagt Reinhard Maiworm, „Sprachskills zu praktizieren“. FRIEDERIKE GRÄFF

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