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: Die illegale Elite

■ Stau am Uni-Stadtamt: Viele Studierende morgen ohne Visum

Die Tür öffnet sich einen winzigen Spalt. Auf dieses Signal hin kommt Bewegung in die Menge, ein Stimmengewirr prasselt auf die Mitarbeiterin der Außenstelle des Stadtamtes an der Bremer Uni nieder. Die aber bewahrt ihre stoische Ruhe: „Nur die Nummer acht ist dran.“

Hinter dem belagerten Eingang werden die Visa für ausländische Studierende und Dozenten erteilt. Manche waren schon morgens um sieben Uhr bei der „Bremen Services Universität“ da, viele werden hier bald ihren zweiten oder dritten Tag verbringen – anstatt Vorlesungen zu besuchen.

Die Chancen, das begehrte Visum rechtzeitig zu bekommen, sind schlecht: Einen Termin oder eine Nummer ergattern pro Tag höchstens 30 Antrag-steller. (vgl taz vom 29. Otober).

Doch als die Außenstelle ges-tern um neun Uhr geöffnet wird, stehen bereits 60 Studierende da. Sie sollen sich in der Reihenfolge ihres Eintreffens in einer Schlange aufstellen. „Das hat aber nicht geklappt“, erzählt Jin-Ah Ahn. Weil sich aus dem Knäuel keine Schlange formen wollte, seien die wenigen begehrten Nummern schließlich willkürlich verteilt worden, berichtet die Koreanerin, die an der Hochschule Komposition studiert. Ihr Freund hält die Ausstellung der Aufenthaltsgenehmigungen für „Verschleppung“, Jin-Ah Ahn sagt: „Man behandelt uns wie einen Haufen Kühe.“

Ohnmächtig warten die ausländischen Studierenden darauf, dass irgendetwas passiert. Einige sitzen ratlos auf der Treppe, andere laufen ziellos hin und her und tauschen die spärlichen wie widersprüchlichen Informationen aus. Unter ihnen ist Ilona Jurgelevica. Das Visum der lettischen Kulturgeschichts-Studentin läuft am ersten November aus. Wie sie werden vermutlich mindestens 40 andere ausländische Studierende ab morgen einen Status als Illegale haben.

Vor dem Ansturm hat Jürgen Stremel, Mitarbeiter der Universität Bremen in der Außenstelle des Stadtamtes, gestern kapituliert: „Ich war fix und fertig.“ Er rief einen Vertreter des Stadtamtes an, das die Fachaufsicht über die „Bremen Services Universität“ führt, damit sich dieser ein eigenes Bild von der chaotischen Lage machen und für Abhilfe sorgen könne. Stremel kann nicht verstehen, warum sich niemand besser auf die rege Nachfrage vorbereitet hat: Von einer Behörde „ist zu erwarten, dass sie die Anzahl der ausländischen Studenten kennt“, sagt Stremel. „Ich bin bald illegal, was soll ich machen?“, fragt ein Student aus dem Nahen Osten – Stremel zuckt mit den Schultern.

Markus Beyer, Sprecher des Innenressorts, sagte, dass derzeit geplant werde, weitere Mitarbeiter des Stadtamtes für die Außenstelle abzustellen. Der Pressesprecher bittet die Studierenden sowohl „um Geduld“ als auch „um Entschuldigung, dass dieser Engpass entstanden ist.“ Die Idee der „Bremen Services Universität“ hält Bayer nach wie vor für sinnvoll, auch wenn die Außenstelle gerade „vom Erfolg überrannt wird“. Das ist derzeit wörtlich zu nehmen.

Um die begehrten Nummernzettel zu bekommen, ohne die es keinen Einlass in die Außenstelle des Stadtamtes und keine Verlängerung des Visums gibt, überlegen einige der ausländischen Studierenden die Nacht im Schlafsack zu verbringen, damit sie am nächsten Morgen die Ersten sind. Trotz der Konkurrenz um Termine und Nummern schweißt das gemeinsame Ausharren die ausländischen Studierenden zusammen. So fördert das Chaos immerhin die Völkerverständigung – wenn schon nicht das Image der Uni Bremen.

Peter Ringel