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Die Industriebrache der Republik

Kaum Industrie, wenig Dienstleistungsgewerbe. Nur beim Verhältnis Arbeitslose pro offene Stelle ist Berlin top

Die Analyse ist ernüchternd – Berlin ist bundesweit das Schlusslicht in der Beschäftigungsentwicklung. Die Hauptstadt erlebte einen regelrechten Beschäftigungseinbruch und weist vor allem Defizite in innovativen Branchen auf. Sogar im Dienstleistungssektor ging die Beschäftigung in den letzten Jahren zurück, während sie in anderen Ballungsregionen stieg. Zu diesem Ergebnis kommen die Arbeitsmarktforscher Günther Schmid und Dietmar Dathe vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), die die Berliner Beschäftigungsentwicklung im Vergleich zu zwölf anderen deutschen Ballungsräumen wie München oder Köln untersucht haben.

In nur fünf Jahren verlor Berlin 13 Prozent seiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. In München und Köln hingegen stieg ihre Zahl. Sogar im viel gelobten Dienstleistungssektor sank die Beschäftigtenzahl um rund sieben Prozent, während Köln hier um elf Prozen zulegte.

Die Haupstadt weist – neben Brandenburg – das schlechteste Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitslosen auf: Auf eine registriertes Stellenangebot kamen im September 33 Arbeitssuchende, in Bayern und Baden-Württemberg waren es nur drei bis vier. Selbst im strukturschwachen Ostdeutschland waren es im Durchschnitt nur knapp 20.

Zudem hat Berlin den mit Abstand niedrigsten Industriebestand. Hier arbeiten nur noch 14 Prozent der Beschäftigten in der Industrie, in München sind es 23 Prozent. Ursache dafür ist der radikale Wandel der Industriestruktur nach der Wende. Westberlin war durch einfache Zuliefererbetriebe, die so genannten verlängerten Werkbänke, geprägt, die nach dem Wegfall der Berlinsubvention unrenatbel wurden. Im Ostteil der Stadt wardie marode Industrie nicht mehr konkurrenzfähig. Dieser Niedergang hat Folgen: auch der Bedarf an industrienahen Dienstleistungen – wie etwa Software-Entwicklung oder Ingenieurdienstleistungen – ging zurück. Eine überdurchschnittliche Arbeitsplatzdichte hat Berlin lediglich bei staatlichen und sozialen Dienstleistungen. Im Vergleich zu München und Hamburg weise Berlin Defizite in innovativen Sektoren auf.

All das hat dramatische Auswirkungen auf die Struktur des Arbeitsmarkts: In Berlin ist nur noch jede dritte erwerbsfähige Person zwischen 15 und 64 Jahren „normal“, das heißt mit einem unbefristeten Vollzeitvertrag beschäftigt. Ein weiteres Drittel ist entweder arbeitslos, in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, geht einer Teilzeitbeschäftigung nach oder ist selbständig. Der Rest ist in Ausbildung oder inaktiv.

Zudem wird in Berlin unterdurchschnittlich weitergebildet –mehr als doppelt so viele Personenen wie im Bundesdurchschnitt haben lediglich zeitlich befristete Arbeitsverträge. „Die aufgezeigte Entwicklung belegt eine sich vertiefende Polarisierung der Arbeitsmarktchancen zwischen Niedrig- und Hochqualifizierten, wovon Frauen stärker als Männer betroffen sind“, erklären die WZB-Forscher.

RICHARD ROTHER

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