: Seit über 20 Jahren Krieg
■ ExilafghanerInnen in Bremen wollen Reparationen von den USA für ihr zerstörtes Land / Bombardierungen würden nur Zulauf für Taliban fördern
„In Afghanistan ist seit 1980 Krieg. Nicht erst seit die Amerikaner am 8. Oktober 2001 angefangen haben, das Land zu bombardieren.“ Das sagen Laila Noor, die heute als Modedesignerin arbeitet und der Diplom-Ökonom Rahmathullah Fathai. Beide stammen aus Afghanistan und leben seit vielen Jahren im Exil in Deutschland. Gestern erzählten sie auf Einladung des Bremer Friedensforums von ihren persönlichen Erfahrungen.
Fathai zum Beispiel konnte nach seinem Studium in Deutschland nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren, weil die Sowjets einmarschiert waren. Noor dagegen hat früher in der deutschen Botschaft in Kabul gearbeitet. Sie verließ das Land nach dem Einmarsch der Sowjets, weil sie miterleben musste, wie ihr 80-jähriger Vater im Gefängnis gefoltert und ihr Haus unter Arrest gestellt wurde. Schon damals wollte sie in Vorträgen in Deutschland auf die Situation in Afghanistan aufmerksam machen. „Aber niemand wollte es hören.“ Rahmatullah Fathai erinnerte: „Es war ein Krieg zwischen NATO und Warschauer Pakt in unserem Land.“
Die beiden sind zwei von mehreren hundert in Bremen und umzu lebenden Afghanen. Wie viele ihrer Landsleute verurteilen sie die Anschläge am 11. September heftig. Sie empfanden gleichermaßen sehr großen Schmerz über die Bombardierungen Afghanistans. Sie träfen vor allem Frauen und Kinder, die schon am meisten unter den Taliban zu leiden gehabt hätten. Jetzt habe man das Gefühl, Afghanistan sei ein Experimentierfeld für amerikanische Waffen, so Noor. Sie warnte, im kommenden Winter könnten zwei Millionen Menschen verhungern. Die Bombardierungen müssten aufhören. Sie würden den Taliban nur Zulauf verschaffen. Und Fathai pflichtete bei, wenn die USA nur Bin Laden wollten, könnten sie ihn mit Hilfe des CIA sicherlich aus Afghanistan herausholen.
Dass Deutschland sich jetzt möglicherweise in eine Reihe mit Großbritannien und den USA stelle, die Afghanistan bombardierten, treffe sie besonders, so Fathai. Schließlich verbänden Deutschland und Afghanistan rund 150 Jahre freundschaftliche Beziehungen.
Eine Perspektive für das zerstörte Land sahen beide im afghanischen Exil-König. Da viele Intellektuelle ermordet wurden, gebe es derzeit nicht viele Integrationsfiguren. Schon vor zwölf Jahren wollten viele Afghaner den König wieder einsetzen. „Aber das wollten die USA nicht“, sagt Noor verbittert.
Sollte die Nordallianz zukünftig die Herrschaft übernehmen, fürchtet Fathai einen Bürgerkrieg im Land. Die Nordallianz sei brutal und behandele Frauen gleichermaßen schlecht. Entsprechend hat Laila Noor derzeit wenig Hoffnung, dass Frauen ihre Rechte zurückerhalten. Vor 25 Jahren seien die Frauen in Afghanistan, in Pakistan und im Iran auf dem besten Weg gewesen, sich zu emanzipieren. Es habe Frauen an den Universitäten und als Ministe-rinnen gegeben. Ebenfalls noch vor 25 Jahren hätten Hindus, Moslems, Christen und Juden in Afghanistan friedlich miteinander gelebt.
Jetzt müssten alle zusammen eine politische Lösung finden, sagte Fathai. Wichtig sei, dass Pakistan und der Iran aufhörten, sich in Af-ghanistan einzumischen. Noor ergänzte, dass die Länder, die Afghanistan so zerstört hätten, es jetzt auch wieder aufbauen müssten und verlangte Reparationszahlungen von den USA. Man brauche Hilfe, nicht Bomben. aro
Kundgebung gegen eine Kriegsbeteiligung der Bundeswehr am 14. November, 18 Uhr, Marktplatz
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