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vorlauf kunstHarald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um

Das Drama spielt sich nicht im Zentrum ab, sondern auf dem Land, in Siedlungen und Dörfern. Vitek Marcinkiewicz ist seit Jahren schon ein Chronist solch abseitiger Begebenheiten: Seine mit Bleistift akurat hingezeichneten Figuren leben zwischen Panzern und Limousinen, sind stets in Bedrängnis und müssen sich mit einer grauen Welt abfinden, die nicht auf sie gewartet hat. Mal blüht eine Rose auf, die aber nur wieder das Panorama überdeckt; mal steht ein bärenartiges Wesen allein auf der Wiese, die Maulwurfshügel drumherum sind mit Kreuzen gespickt – weil alle Natur in den Tod führt? Man kann das russisch nennen, polnisch oder existenziell. Aber die Erfahrung bleibt stimmig: Marcinkiewicz’ Ausstellung bei endart, Oranienstraße 36, ist wie ein Disneypark der Zukurzgekommenen, ohne dass irgendein Elend zur Schau gestellt würde. Dafür sind die Zeichnungen viel zu genau, fast literarisch.

Man trifft sich in Parks, wenn die Sonne auf London scheint. Schläfrig schlägt sich das Licht im Grün der Wiesen nieder, fast triumphierend reißt das helle Blau des Himmels die Landschaft auseinander, und die gepflasterten Wege lösen sich unter der Hitze in eine teigige Masse auf. Die Natur schaut nicht mit Ingrimm zurück, sondern mit einem verführerischen Augenzwinkern. Der britische Künstler Mike Silva baut seine Landschaftsgemälde wie Porträts, in denen man einem Baum, einem Strauch nicht anders begegnet als dem jungen Mann, der gleich im Bild nebenan auf dem Sofa liegt. Mit der Begeisterung eines Romantikers analysiert Silva mit seinen Arbeiten in der Galerie Barbara Thumm, Dircksenstraße 41, das Außen als Spiegel des Innen. Dass darin ein gehöriger Anteil Psychedelik durchschimmert, gehört vermutlich auch zu seinem Temperament.

Apropos Sonnenschein. Nicht vergessen: Andy Warhol in der Neuen Nationalgalerie.

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