berliner szenen: Wie man ein Spießer wird
Mülltrennungen
Ich werde zum Spießer! Mich nervt plötzlich der Müllhaufen neben den Mülltonnen unserer Nachbarn. Während es in unserem Hof nach einer Entmüllungsoffensive der Hausverwaltung supersauber aussieht – die Vermieter haben sogar einen Zettel an die Hoftür gepinnt, auf dem erklärt wird, wie man Mülltüten effektiv in die Tonne bugsiert – trifft die Truppe vom schräg gegenüberliegenden Haus am Kotti einfach ihre Tonnen nicht mehr. Die große Gelbe haben sie schon immer boykottiert, und Papier können sie nicht sammeln, da wahrscheinlich keiner von denen Zeitung liest. Nur ihre Glascontainer sind gut gefüllt.
Bis zu einer persönlichen Mülltonnenkontrolle letzte Woche habe ich noch angenommen, die Nachbarn hinterm Gitterzaun hätten zu wenig Tonnen. Aber in der großen Waschbetonkiste mit den Luken steht eine saubere, leere Mülltonne. Saubären! Bei uns im Hof hätte ich eingegriffen, aber bei den Elenden vom Kotti den Hausmeister spielen? Wahrscheinlich wäre genau dann einer der Bewohner gekommen und hätte mir Prügel angedroht wegen Fremdmülleinwurfs. Gestern in der Badewanne gingen mir nun Möglichkeiten durch den Kopf, wie antanzende Ratten zu bekämpfen wären. Mobile Hausmeistertrupps ziehen durch die Stadt und machen Putz. Das wird aber bis Weihnachten, wenn überall der Müllnotstand losgeht, nichts werden. Also greife ich selber ein: Bei günstigem Wind zünde ich den Haufen an. Wobei dann wahrscheinlich eine Mülltonne mit verbrennt. Schließlich kam ich auf eine bessere Idee: Ich schleppe die Tüten auf die Parkplätze der Mieter, blockiere diese und zwinge sie so zum Handeln. So geht’s jedenfalls nicht weiter!
ANDREAS BECKER
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