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Lakhdar Brahimi, Chefskeptiker der UNO

Der UN-Beauftragte für Afghanistan hat leidvolle Erfahrungen mit Krisengebieten und UN-Apparaten gesammelt

BERLIN taz ■ Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan ist kein Mann für Luftschlösser. Eher ließe sich Lakhdar Brahimi als Chefskeptiker der Vereinten Nationen bezeichnen. Vor zwei Jahren schon schmiss er den Posten des Afghanistan-Sonderbeauftragten entnervt hin, weil er keine Aussichten für eine Befriedung des Bürgerkriegslandes sah. Bevor er sich am 3. Oktober dieses Jahres von UN-Generalsekretär Kofi Annan erneut in dieses Amt berufen ließ, hatte er sich als Autor eines kritischen Berichts über UN-Blauhelmeinsätze einen Namen gemacht.

In seinem „Brahimi Report“, der im August 2000 vorgelegt wurde, äußerte er scharfe Kritik an den UN-Missionen in Bosnien und Ruanda, die beide weder Frieden gebracht noch Völkermord verhindert hatten. Brahimi erteilte überdimensionierten Friedensmissionen mit unklarem Mandat eine Absage. Er sprach sich für kleinere, aber zielgerichtetere Missionen sowie eine bessere Koordination von UN-Einsätzen aus dem UN-Hauptquartier aus. Im November 2000 setzte der Sicherheitsrat Brahimis zentrale Empfehlung um, als er in der Resolution 1327 beschloss, Blauhelme nur noch mit „eindeutigen und glaubhaften Mandaten“ zu entsenden.

Genau weil dies in Afghanistan jetzt so schwierig scheint, setzt sich Brahimis Pragmatismus auch bei der Behandlung dieses Landes in der UNO durch. Der Sonderbeauftragte betont erneut, Schlüssel zur Umsetzung jedes UN-Plans für Afghanistan sei der Aufbau klarer Entscheidungsstrukturen innerhalb des oft undurchsichtigen UN-Apparats. Die Hürden für ein effektives Handeln der UNO liegen seiner Erfahrung nach vor allem bei der UNO selbst.

Erfahrung mit schwierigen Ländern hat Brahimi auch ohne Blauhelme gesammelt. 1994–96 war er politischer Leiter der UN-Mission in Haiti, wo damals die Beseitigung eines Regimes von Militärputschisten anstand. 1993–94 leitete er die UN-Beobachter, die in Südafrika den Übergang zur Demokratie begleiteten. 1993 war er Sonderbeauftragter der UNO für Zaire, 1994 für Jemen – beides damals Staaten in schweren innenpolitischen Krisen. Sein diplomatisches Geschick hatte der 1934 geborene Algerier in Jahrzehnten im diplomatischen Dienst seines Heimatlandes gelernt; 1985–91 war er Generalsekretär der Arabischen Liga und 1991–93 Außenminister von Algerien.

Seine erste Amtszeit als UN-Sonderbeauftragter für Afghanistan 1997–99 fiel zusammen mit einer der düstersten Episoden des afghanischen Bürgerkrieges, als die Taliban-Regierung und die Nordallianz sich noch im Norden des Landes bekämpften und in der nordafghanischen Stadt Masar-i Scharif tausende von Zivilisten Massakern zum Opfer fielen. Damals tolerierten die USA noch die Taliban, geleitet von strategischen Ölinteressen, während beide Seiten bedenkenlos Kriegsverbrechen begingen.

Erinnerungen an solche Zeiten führen heute dazu, dass Brahimi allen Willensbekundungen der afghanischen Kriegsparteien Skepsis entgegenbringt. Mögliche Übergangsinstitutionen in Afghanistan, sagte der Sonderbeauftragte am Dienstag, seien der Anfang, nicht das Ende eines Friedensprozesses. „Sie werden nicht sehr lange da sein“, hoffte er. Die zu bestimmenden Amtsträger sehen das vermutlich anders. DOMINIC JOHNSON

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