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Lehrplan per Plenumskonsens

In der selbst verwalteten Heilpraktikerschule haben die Auszubildenden Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung. Zum Ausgleich für das geforderte persönliche Engagement kosten die Kurse weniger als an herkömmlichen Privatschulen

Seit zwanzig Jahren gibt es die Heilpraktikschule in der Waldemarstraße in Kreuzberg mittlerweile. Aber was genau dort passiert, wissen die wenigsten. „Wir gestalten unsere Schule selbst“, sagt der angehende Heilpraktiker Christoph Sedlin über die älteste Schule für Heilpraktik in Berlin. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Schüler selbst beibringen, wie man Patienten mit ganzheitlichen Methoden behandelt, sondern dass die Heilpraktikschüler zum Beispiel die Buchhaltung des ungewöhnlichen Projekts eigenständig verwalten. „Wir haben keinen Chef“, erklärt der 25 Jahre alte Schüler und korrigiert sich sogleich: „Ich meine natürlich, wir alle sind hier der Chef.“

Zum Ausgleich für die zusätzliche Arbeit sind die Kurse der selbst verwalteten Ausbildungsstätte sehr viel günstiger als bei herkömmlichen Privatschulen: 350 Mark zahlen die Schüler monatlich. Die Ausbildung zum Heilpraktiker dauert an dem Institut drei Jahre – dreimal die Woche kommen die Schüler zum Unterricht. Gegen Ende des dritten Jahres müssen die Auszubildenden dann durch die staatlich vorgeschriebene Prüfung, die von Schulmedizinern abgenommen wird.

Die Selbstverwaltung erfordere zwar großes Engagement, erlaube aber gleichzeitig viele Freiheiten, erklärt der Schüler Sedlin. Den Alltag organisieren die zukünftigen Heilpraktiker während des monatlichen Schulplenums. Per Konsens entscheiden die Schüler dort, wie der Lehrplan verändert werden soll.

Für die rund fünfzig Schüler der Kreuzberger Heilpraktikschule stehen jede Woche Anatomie, Pathologie, klassische Homöopathie, traditionelle chinesische Medizin, Pflanzenheilkunde und Körperarbeit auf dem Programm. Während des Unterrichts in Homöopathie werden die einzelnen Arzneimittel mit ihren Eigenschaften von den Schülern gar in Form von Theaterstücken aufgeführt. So soll der theoretische Hintergrund dieser Behandlungsmethode gemeinsam erarbeitet werden. In Pflanzenheilkunde machen die Lehrlinge Ausflüge in die freie Natur, um dort Heilkräuter zu botanisieren und daraus Salben herzustellen. Vielfältig ist auch das Angebot in Körperarbeit, die sich die Auszubildenden selbst aussuchen und zeitlich koordinieren können. Gefragt sind hier etwa Qi Gong, Fußreflexzonen-Massage, Shiatsu, Atem- und Energiearbeit.

Im dritten Ausbildungsjahr gibt es zusätzlich die Möglichkeit, Patienten zu behandeln – selbstverständlich nur unter Aufsicht der Lehrer. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist an der Kreuzberger Heilpraktikschule übrigens fast luxuriös: auf die durchschnittlich fünfzig Schüler kommen zwanzig Lehrer. Für fertig ausgebildete Heilpraktiker, die Mitglied in dem hauseigenen Verein zur Förderung naturheilkundlicher Medizin bleiben, sind weitere Fortbildungskurse zudem kostenlos.

CHRISTA STORM

Ausbildungsbeginn ist jedes Jahr Anfang Januar. Telefonisch erreichbar ist die Schule Mi. 11.30–16.00 und Do. 10.30–14.30 Uhr unter (0 30) 693 10 58, im Internet: www.heilpraktikschule.de. Am 22. 11. und am 4. 12. finden jeweils um 18.30 Uhr Informationsabende in der Waldemarstr. 36 statt.

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