EU-Parlament für Embryonenforschung

Auch mit deutschen Mitteln sollen Forschungsarbeiten finanziert werden, die hierzulande verboten sind

BRÜSSEL taz ■ Die Wissenschaftler in ihren Genetiklabors produzieren Bastelanleitungen für den Menschen der Zukunft in so flottem Tempo, dass die Politiker mit neuen Gesetzen nicht mehr hinterher kommen. Die Debatte um Stammzellenforschung, Präimplantationsdiagnostik und therapeutisches Klonen hat außerdem dazu geführt, dass die Öffentlichkeit inzwischen mit größter Selbstverständlichkeit über humangenetische Techniken spricht, die vor wenigen Jahren als Ungeheuerlichkeit abgelehnt worden wären.

Diese Entwicklung ist auch am Europaparlament nicht spurlos vorbeigegangen. Zwar haben Grübler und Zweifler vor einem Jahr einen Ausschuss für Humangenetik gegründet, der Ende November seinen Abschlussbericht dem Plenum vorlegen wird. Darin wird die Förderung von Embryonenforschung mit öffentlichen Mitteln ausdrücklich abgelehnt. In Deutschland, Österreich, Portugal und Irland ist diese Forschung bislang verboten. Das Plenum hat aber am Mittwoch in Straßburg deutlich gemacht, dass es dem Ausschuss in dieser Frage nicht folgen will.

In seiner Stellungnahme zum Forschungsrahmenprogramm 2002 bis 2006 lehnte es zwar mit knapper Mehrheit ab, die Veränderung menschlichen Erbmaterials, die Herstellung von Embryos zu Forschungszwecken und das Klonen mit menschlichem Erbmaterial zu Reproduktionszwecken finanziell zu fördern. Die Ablehnung fiel aber wesentlich zaghafter aus als 1997, wo sich der Forderung, „dass keine Gesellschaft unter irgendwelchen Umständen das Klonen von menschlichen Wesen zu Versuchszwecken, im Rahmen von Fruchtbarkeitsbehandlungen, Präimplantationsdiagnosen, Gewebetransplantationen oder zu irgendeinem anderen Zweck rechtfertigen oder hinnehmen darf“, noch zwei Drittel der Abgeordneten anschlossen.

Bei der Forschung an menschlichen Embryonen ist die Sorge, gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten, inzwischen größer als moralische Bedenken. 280 Abgeordnete stimmten am Mittwoch im sechsten Forschungsrahmenprogramm dafür: „Forschung an ,überzähligen‘ menschlichen Embryos, die zur Behandlung von Unfruchtbarkeit geschaffen wurden und nicht mehr benötigt werden, kann finanziert werden, sofern diese Forschung in den Mitgliedsstaaten rechtlich zulässig ist.“

Der deutsche Kinderarzt und Europaparlamentarier Peter Liese (CDU) ist bestürzt, dass nur 219 Abgeordnete diesen Passus ablehnten. Er fragt, wer künftig überprüfen soll, ob die Embryos tatsächlich „überzählig“ sind oder doch zu Forschungszwecken gezüchtet wurden. In Deutschland seien in all den Jahren, seit Befruchtungen im Reagenzglas möglich sind, nur zwanzig tiefgefrorene Embryonen übrig geblieben. In den meisten europäischen Ländern seien bislang keine Embryonen vernichtet worden. Der Hunger der Forscher nach menschlichem Erbmaterial werde zwangsläufig dazu führen, dass die strengen Vorbedingungen des neuen Forschungsrahmenprogramms umgangen würden.

Die grüne Abgeordnete Hiltrud Breyer teilt diese Bedenken: „Mir sind noch zu viele ethische Minenfelder in der Endfassung. Deshalb habe ich dagegen gestimmt.“ Beide Abgeordnete hoffen nun, den Entwurf im Rat der Forschungsminister am 10. Dezember zu Fall zu bringen. Man müsse der deutschen Forschungsministerin Edelgard Bulmahn nochmals deutlich vor Augen führen, dass demnächst mit Geldern der deutschen Steuerzahler Embryonenforschung in Großbritannien finanziert werde. Denn in Deutschland bleibt Embryonenforschung verboten. Bis auf weiteres. Denn öffentliche Förderung sorgt dafür, dass ethisch umstrittene Praktiken salonfähig werden. Das finanzielle Argument wiegt womöglich schwerer als die Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die das deutsche Embryonenschutzgesetz am liebsten verschärfen würde.

Das nächste Rückzugsgefecht, da sind Liese und Breyer überzeugt, wird im Europaparlament ums therapeutische Klonen geführt werden. In Großbritannien ist es längst erlaubt, EU-Fördermittel aber gibt es bis jetzt dafür nicht. Noch nicht. Auch an den Gedanken, Embryos als Ersatzteillager für Organe zu züchten, werden sich die Abgeordneten mit der Zeit gewöhnen.DANIELA WEINGÄRTNER