: Schnelle Entscheidung gefordert
Mehrheit der Enquetekommission ist gegen Import von embryonalen Stammzellen. Bundestag wird entscheiden müssen, ob mit den umstrittenen Zellen geforscht werden darf. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft besteht auf verbindlichen Termin
von WOLFGANG LÖHR
„Wir nehmen die Bitte um erneute Verschiebung der Entscheidung über den Import von embryonalen Stammzellen entsprechend ernst“. Ob jedoch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den für den 7. Dezember geplanten Beschluss über den Forschungsantrag des Bonner Neuorologen Oliver Brüstle zum dritten Mal aussetzen wird, kann die Sprecherin der DFG, Eva-Maria Streier, derzeit noch nicht sagen. Brüstle will für seine Forschungen Stammzelllinien, zu deren Herstellung menschliche Embryonen genutzt wurden, aus Israel einführen. Nachdem Anfang der Woche die Enquetekommission „Recht und Ethik der moderenen Medizin“ des Deutschen Bundestages sich mit deutlicher Mehrheit gegen den Import embryonaler Stammzellen ausgesprochen hat, wird die DFG nach Einschätzung von Insidern jedoch nicht darum herumkommen, die Entscheidung über Brüstles Antrag erneut zu vertagen.
Der Streit über die embryonalen Stammzellen konzentriert sich derzeit vor allem auf die Importfrage. Nach dem deutschen Embryonenschutzgesetz ist die so genannte „verbrauchende Embryonenforschung“ ausnahmslos unter Strafe gestellt. Demnach dürfen Embryonen im Reagenzglas nur zu einem Zweck hergestellt werden: zur Einleitung einer Schwangerschaft.
Das will – im Moment zumindest – auch niemand in der Enquetekommission ändern. Unterschiedliche Positionen bestehen vor allem in der Frage, ob hierzulande mit Zelllinien geforscht werden darf, die im Ausland hergestellt worden sind. Da diese Zelllinien nicht mehr vollständig entwicklungsfähig sind, aus ihnen also kein Mensch mehr heranwachsen kann, handelt es sich nach dem Embryonenschutzgesetz auch nicht mehr um Embryonen.
Eine große Mehrheit der Enquetekommission – 17 der 26 Mitglieder – hält die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken für „ethisch nicht vertretbar“. Auch, so heißt es in dem Bericht, sei dies nicht „wissenschaftlich ausreichend begründet“. Stattdessen soll die Forschung mit Stammzellen anderer Herkunft, zum Beispiel adulten Zellen, vorangetrieben werden. Der Bundestag und die Bundesregierung werden aufgefordert, „alle Möglichkeiten“ auszuschöpfen“, um den „Import von embryonalen Stammzellen zu verhindern“.
Monika Knoche, die für die Grünen in der Enquetekommission sitzt, geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie hält, auch wenn es im Embryonenschutzgesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist, den Import von embryonalen Stammzellen schon nach geltendem Recht für nicht zulässig.
Die Minderheit des Ethikgremiums konnte oder wollte ein Importverbot nicht unterstützen. Sie erarbeitete strenge Kriterien zur Kontrolle eines „tolerierten“ Importes. So sollen nur bereits vorhandene Stammzelllinien importiert werden dürfen, die ausschließlich aus bei der künstlichen Befruchtung anfallenden überzähligen Embryonen hergestellt wurden. Dazu soll entsprechend der vom US-Präsidenten erlassenen Regelung ein bestimmter Stichtag festgelegt werden. Zudem müsse für jedes Forschungsprojekt die Notwendigkeit dargelegt werden. Mit dieser Beschränkung solle „die Tötung weiterer Embryonen zu Forschungszwecken verhindert“ werden, heißt es in dem Abschlusspapier.
Nicht alle der Kommissionsmitglieder, die sich für eine Kontrolle des Importes aussprachen, sind auch Befürworter der Forschung mit embryonalen Stammzellen. So unterstützte die grüne Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken gleich beide Positionen. Sie will sicher gehen, dass, „wenn die Duchsetzung eines absoluten Importverbotes aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sein sollte“, nur mit den bereits existierenden Stammzelllinien geforscht werden dürfe.
Beide Positionen werden demnächst offiziell dem Bundestag zugeleitet. Urspünglich war mal geplant, dass noch im Dezember, wenn auch die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates vorliegt, der Bundestag sich mit der Importfrage befasst. Dieser Termin ist jetzt auf Ende Januar verschoben worden. Die DFG will ihrem Hauptausschuss aber nur dann eine Verschiebung des Brüstle-Antrages nahe legen, wenn wir für diesen Termin, so DFG-Sprecherin Streier, auch eine „verbindliche Zusage“ bekämen.
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