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60-Milliarden-Ultimatum

Heute beginnt in Argentinien der größte Schuldentausch der Geschichte. Wenn er nicht klappt, ist das Land endgültig zahlungsunfähig. Sparer heben Guthaben ab

Konfusion ganz oben: Der eine will den Peso eventuell abschaffen, der andere preist ihn

Wirtschaftspolitiker waren schon immer fantasievoll, wenn es darum ging, unschöne Tatbestände hinter schönen Worten zu verstecken. Argentiniens Finanzminister Domingo Cavallo nahm in den vergangenen Tagen eines dieser Worte besonders oft in den Mund: „Umstrukturierung“. Er kann es sogar mit einem Superlativ versehen: die größte Schuldenumstrukturierung der Geschichte.

Am heutigen Montag soll sie beginnen: 60 Milliarden Dollar Staatsschulden bei inländischen Gläubigern – vorwiegend Banken und Pensionsfonds – sollen „umstrukturiert“ werden. Anfang kommenden Jahres sollen noch einmal 42 Milliarden Dollar von internationalen Gläubigern dazukommen. Durch die Operation will Argentinien vier Milliarden Dollar Zinsen pro Jahr einsparen.

Tatsächlich ist die von Cavallo so genannte Umstrukturierung im besten Fall ein Zwangsvergleich. Manche internationalen Gläubiger sehen gar den Tatbestand der Erpressung erfüllt. Denn Argentinien will hochverzinsliche Schuldscheine in neue Titel umtauschen, die höchstens noch 7 Prozent Rendite bringen. Ein Verlustgeschäft für die Gläubiger. Kein Kapitalist würde sich auf so etwas einlassen, wenn nicht im Hintergrund die Drohung stünde: Entweder ihr macht das miese Geschäft mit, oder es gibt gar keine Rendite mehr. Denn eigentlich ist Argentinien zahlungsunfähig.

Durch die anhaltende Wirtschaftskrise im Land fielen die Steuereinnahmen weit unter das für die Schuldentilgung nötige Maß. Und durch die Bindung des Pesos an den hohen US-Dollar kann das Land währungspolitisch nicht auf die Krise reagieren.

Am Freitag und Samstag bemühten sich Cavallo und Präsident Fernando de la Rúa, die Verunsicherung ihrer Gläubiger ins Unermessliche zu steigern. Beim Staatsbesuch in Lissabon sagte de la Rúa: Was auch immer kommen mag, der argentinische Peso bleibt erhalten und weiterhin mit einem Kurs von eins zu eins an den Dollar gekoppelt. Am selben Tag erschien im New Yorker Wall Street Journal ein Interview mit Cavallo, in dem die Einführung des Dollar, des Euro „oder einer anderen vertrauenswürdigen Währung“ als Ersatz für den Peso nicht mehr ausgeschlossen wird.

De la Rúa versicherte in Lissabon, Argentinien werde seine Schulden pünktlich bedienen und weder den Internationalen Währungsfonds (IWF) noch die Weltbank um weitere Hilfe bitten. Cavallos Mitarbeiter aber sagten am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Ottawa, wenn der IWF die bereits zugesagte Hilfe nicht schneller auszahle als vereinbart, sei das Land endgültig bankrott. Bis zum Jahresende brauche man zusätzliche 1,3 Milliarden Dollar.

Große und kleine Anleger reagierten auf die widersprüchlichen Nachrichten. Weil argentinische Banken massenhaft auf den faulen Schuldscheinen sitzen, ziehen die Sparer ihre Guthaben ab. Allein in den vergangenen 30 Tagen wurden Einlagen im Wert von drei Milliarden Dollar aufgelöst. Kleinen Anlegern erscheint der Strumpf sicherer als eine Bank. Große verschieben ihre Millionen ins Ausland.

Eine Gläubigervereinigung, die zusammen 40 Milliarden Dollars argentinischer Schuldverschreibungen besitzt, hat vorsorglich ein Anwaltsteam engagiert. Es soll herausfinden, ob es sich bei dem angebotenen Schuldentausch nicht um einen offenen Vertragsbruch handelt. Cavallo verhandelte unterdessen mit dem Finanzministerium und der Zentralbank der USA. Hinterher verbreitete er Optimismus: „Ich habe das Gefühl, dass sie uns unterstützen.“ Schöne Worte für kein konkretes Ergebnis. TONI KEPPELER

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