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Zu gut für diese Welt

In Japan ist Martin Rominger gerade wieder mal Weltmeister im Kunstradfahren geworden. Was sich toll anhört, langweilt den Schwaben. Deshalb will er sich jetzt über die Regularien hinwegsetzen

von SEBASTIAN MOLL

Martin Rominger ist zu gut für seinen Sport, bei der im japanischen Kasuda City stattfindenden WM war das gerade wieder deutlich zu sehen: Zum fünften Mal in Folge Weltmeister im Kunstradfahren ist der 24 Jahre junge Mann aus Bitz auf der Schwäbischen Alb dort geworden, sein Abstand zum Rest der Welt war, wie immer, enorm. So enorm, dass sich Martin Rominger bisweilen langweilt.

Seit er 1997 zum ersten Mal Weltmeister wurde, beherrscht er als einziger Fahrer alle 120 vom Verband katalogisierten Übungsteile auf seinem Sportgerät in Perfektion. „Alles, was ich tun muss, um Weltmeister zu werden, ist, jedes Jahr dieselbe Kür zu wiederholen“, klagt er und fügt an, dass es ihm da mitunter im Training schwer fällt, sich zu motivieren. „Wenn der Wettkampf da ist, bin ich schon angespannt“, sagt Rominger, denn „einen dicken Patzer darf auch ich mir nicht leisten.“ Eine Perspektive, ein langfristiger Anreiz, fehlt dem Sportstudenten jedoch schmerzlich.

Verstärkt werden Romingers Motivationsprobleme dadurch, dass er sich seit Jahren vom Welt-Radsportverband UCI ausgebremst fühlt. Seit seinem ersten WM-Sieg bastelt Rominger zusammen mit seinem Trainer Manfred Maute, selbst dreifacher Weltmeister, an neuen Übungen. Zuletzt hatten die beiden dem Verband einen Salto als Abgang vom Rad am Ende einer Übung vorgestellt. „Die Turner hören ja nach einer Übung am Gerät auch nicht einfach auf“, erklärt Rominger seine Idee. Doch der Verband reagierte wie immer: ablehnend. Das sei zu gefährlich, lautete die Begründung. Auch wenn Rominger die Übung beherrsche, sei es nicht zu verantworten, dass andere Sportler sich daran versuchten. „Das ist so, als würde man jeden 100-Meter-Läufer disqualifizieren, der schneller als 10,5 Sekunden läuft“, echauffiert sich Rominger. So frustriert ist er mittlerweile, dass er sich vorgenommen hat, sich nächstes Jahr einfach über die Regularien hinwegzusetzen.

Vor den Weltmeisterschaften in Japan in diesem Jahr hatte Rominger wegen seiner Prüfung zum Diplomsportlehrer ohnehin nicht so viel Zeit wie sonst zum Trainieren gehabt. Deshalb hat ihn die Ablehnung der UCI diesmal auch weniger gestört als in den Jahren zuvor. Im nächsten Jahr habe er indes wieder mehr Zeit – und da werde er den Absprung einstudieren, das hat er sich fest vorgenommen – und ihn bei der WM auch zeigen: „Das ist mir dann egal, wenn sie mich disqualifizieren. Weltmeister mit einer Standardübung war ich schon oft genug.“

Außer mit neuen Übungen könnte sich Rominger nur noch mit der Möglichkeit motivieren, einmal Olympiasieger werden zu können. Paradoxerweise steht jedoch ausgerechnet seine Dominanz einer erfolgreichen Olympiabewerbung des Kunstrad-Sports entgegen. „Das sieht nicht gut aus, wenn in einem Sport die Leistungsschere zu weit auseinander geht“, glaubt Bundestrainer Klaus-Jürgen Daum.

Dass die Lösung in der Förderung der anderen und nicht im Ausbremsen der Besten liegt, hat man allerdings zumindest in Deutschland erkannt. Seit Jahren engagiert sich die Hallenrad-Nation für die Förderung des Sports in anderen Ländern. Die Vergabe der WM nach Japan in diesem Jahr war das sichtbarste Zeichen dafür, dass die Bemühungen fruchten. Trotzdem ist es noch immer so, dass etwa asiatische Athleten hinter den traditionellen Hallenradsport-Ländern, also Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien, die Teilnehmerfelder bloß auffüllen. Ein Weltsport ist das Kunstradfahren noch lange nicht.

Deshalb ist auch Astrid Ruckaberle, Trainingsgenossin von Rominger und Weltmeisterin bei den Damen, pessimistisch, dass ihre Generation noch eine Olympiateilnahme erlebt: „Bis dahin fahren wir doch alle nicht mehr.“ Wie Rominger, Matthias Letsch, in Japan gerade WM-Dritter geworden, und die gesamte Gruppe um Manfred Maute am Leistungszentrum in Taifingen auf der Schwäbischen Alb, betreibt Ruckaberle ihre Passion mit bis zu 20 Stunden Training wöchentlich als Hochleistungssport. Die Akrobatik auf dem Rad haben die Schwaben so auf ein bisher nicht gekanntes Niveau gehoben. Ein Niveau, für das die Welt anscheinend noch nicht bereit ist.

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