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Atombombe unter der Spüle

Wollte Ussama Bin Laden mit Hilfe eines Satire-Magazins Nuklearwaffen herstellen?

Offenbar hat Bin Laden oder einer seiner Mitarbeiter die Baupläne im Internet gefunden

Wie baue ich eine Atombombe? Immer mehr Menschen stehen in der heutigen Zeit vor dieser Frage. Die ist gar nicht so schwer zu beantworten: Man tippt einfach „Wie man eine Atombombe baut“ in eine Internet-Suchmaschine, am besten auf Englisch, weil ja Leute mit Atombombenbauerfahrung am ehesten englisch sprechen. Sehr schnell findet sich dann eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Die passt auf nur zwei A4-Seiten! Das nötige Material kostet maximal 30.000 Dollar! Wahnsinn! Atom-Angst! Schön blöd, wenn ihnen jetzt die Zeitung an angstnassen Fingern klebt. Jene Anleitung ist nämlich 1979 im Satire-Magazin The Journal of Irreproducible Results erschienen, dessen sämtliche Berichte und Analysen aus der Welt der Wissenschaft komplett erfunden sind. Aber keine Sorge, solche Missverständnisse passieren. Sogar bärtigen Terroristen und gestandenen Kriegsreportern.

Am Donnerstag vergangener Woche berichtete Anthony Loyd in der Londoner Times aus Kabul über Dokumente des Terrornetzwerks al-Qaida, die den Bau einer Atombombe erklären. Er zitierte indirekt aus den Papieren: „There are descriptions of how the detonation of TNT compresses plutonium into a critical mass, sparking a chain reaction, and ultimately a thermonuclear reaction.“ Die Worte und die Satzstruktur erinnern merkwürdig an den Text „How To Build An Atom Bomb“ aus dem Journal of Irreproducible Results, der heute im Internet kursiert. Darin heißt es: „The device basically works when the detonated TNT compresses the Plutonium into a critical mass. The critical mass then produces a nuclear chain reaction similar to the domino chain reaction“.

In eben diesem Text steht dann aber auch, dass man das übrige Plutonium ganz hervorragend zur Insektenvertilgung benutzen kann. Nur sollte man es zur Sicherheit in einer Thermoskanne aufbewahren. Keinesfalls darf man die Atombombe in der Garage aufbewahren, da dort die Temperatur zu stark schwankt. Ideal zum Atomwaffenaufbewahren ist laut Journal of Irreproducible Results der Platz unter der Küchenspüle.

Noch ungeklärt ist, ob Ussama Bin Laden seine Kabuler al-Qaida-Quartiere mit zusätzlichen Küchenspülen ausgerüstet hat. Ohne solche Indizien lässt sich nicht beweisen, dass er tatsächlich im Internet nach Bombenbauplänen gesucht und dann die Anleitung aus einem Journal, das auch den Bau von Zeitmaschinen erklärt, ausgedruckt und unter „A“ abgeheftet hat. Die Londoner Times jedenfalls glaubt nicht daran: „Quatsch, unser Reporter hat aussagekräftige Dokumente, die beweisen, dass al-Qaida nach Massenvernichtungswaffen gesucht hat“, erklärt der zuständige Redakteur. Bestreitet ja auch niemand, aber vielleicht hat al-Qaida einige Atombombenpläne ja doch etwas leichtfertig aus dem Netz . . . „Nein, nein, diese Übereinstimmungen sind reiner Zufall.“ Seinen Namen will der Mitarbeiter des Ressorts „World News“ dann aber nicht sagen.

Abwegig ist die These von der Humorlosigkeit und Ironieblindheit al-Qaidas aber nicht. Einen Tag, nachdem die Berichte in der Times und der BBC erschienen sind, sagte der US-Regierungsbeauftragten für innere Sicherheit, Tom Ridge, die Anleitung zum Bau der Atombombe könnte vor einigen Jahren aus dem Internet gezogen worden sein: „Es ist nichts Ungewöhnliches an diesen Informationen.“ Nun ja, abgesehen davon, dass sie vielleicht Quatsch sind. Pentagon-Sprecher Tim Blair hatte schon zuvor, ohne zu konkretisieren, erklärt: „Medien sollten die Glaubwürdigkeit ihrer Quellen prüfen“.

Terroristen aber auch. Es spricht zwar einiges dafür, dass al-Qaida Material für B- und C-Waffen gesucht und zum Teil gefunden hat – aber es spricht auch einiges dafür, dass nicht alle Terroristen die Bedeutung des Wortes „irreproducible“ kennen. Nicht unbedingt verwunderlich in einem Land ohne Internet-Anbindung. Der al-Qaida-Terrorist sitzt also im Internet-Café in Pakistan, der Gebührenzähler läuft und läuft, der Suchergebnisse werden mehr und mehr . . . Kann schon mal passieren. Ist auch schon mal passiert. Dem Drucker nämlich, der in Pakistan Bilder aus dem Internet von Bin Laden und Bert aus der „Sesamstraße“ auf seine Demonstrationsplakate gedruckt hat.

An alle zukünftigen Bombenbauer, die diesen Text beim Anleitungssuchen im Internet gefunden haben: Für eine Wasserstoffbombe braucht man ungefähr zwei Liter destilliertes Wasser und . . . KONRAD LISCHKA

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