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Warten auf Effes Pässe

Für den großen FC Bayern München ist ein Spiel gegen das bis vor kurzem noch größere Manchester United mittlerweile Alltag. Der endet nach eher belanglosen 90 Minuten mit einem 1:1

aus München THOMAS BECKER

Vom Feeling eher ein Wolfsburg-Gefühl. Noch zehn Minuten bis zum Anpfiff und noch keinen Gedanken ans Spiel verschwendet. Dabei gibt’s heute Braten mit Spätzle statt Wurst- und Käsebrot: Champions League statt Bundesliga, Manchester statt Mönchengladbach. Eigentlich ist heute ein Feier- und kein Alltag. Eigentlich. Doch die Vorfreude auf Mega-ManU hält sich in Grenzen. Lag einfach schon zu oft auf dem Spielplan-Gabentisch. „Das ist schon nix mehr Besonderes, kein Kribbeln, nix“, sagt einer, und die Gesichter anderer sagen dasselbe. Bayern München gegen Manchester United – ein Spiel wie jedes andere. Auch für die Spieler.

„Das ist schon fast Routine gegen Manchester“, sagt Oliver Kahn, der Mannschaftskapitän und Chef-Motivator. Selbst für den ManU-Novizen Robert Kovac ist es „ein ganz normales Spiel“. Kein Wunder, dass Premiere-Experte Lothar Matthäus nach 45 sehr torlosen Minuten analysierte: „Der letzte Biss im Strafraum, der absolute Wille zum Tor, der fehlt.“ Und Expertenkollege Franz Beckenbauer legt nach: „Man muss aufpassen, dass man hinten keinen reinkriegt, und vielleicht geht dann vorne mal einer rein.“ Noch Fragen?

1:1 also. Ein Spiel, das in die Fußballhistorie eingehen wird als eines der am schnellsten vergessenen. Wenn in vier Monaten, am 19. März des kommenden Jahres, diese Champions-League-Zwischenrunde tatsächlich einmal beendet sein wird, werden von dieser Partie vielleicht gerade noch die Torschützen (1:0 Nistelrooy/74.Minute sowie 1:1 Sergio/87.) im Gedächtnis sein. Schon Minuten nach dem vermeintlichen Top-Spiel redeten Spieler und Journalisten von Nürnberg, dem Samstags-Gegner, und vom bevorstehenden Weltpokal-Ausflug nach Tokio.

Nebenan glitzert noch der Brillant von Beckham-Superstar im Ohrläppchen, doch die Anwesenheit der Über-Elf, des einstigen großen Vorbilds, ist schon Vergangenheit. Die Wertigkeiten beim FC Bayern haben sich verschoben. Auch der Ton, in dem über das Phänomen Manchester gesprochen wird, ist ein anderer. Es ist noch nicht lange her, da lobten Hoeneß, Rummenigge & Co. das Werk von Sir Alex Ferguson als einzigartig und Ehrfurcht gebietend. Am Dienstagabend sagte Uli Hoeneß: „Es ist schon komisch, dass eine Mannschaft wie Manchester hier spielt wie St. Pauli: mit zehn Mann hintendrin.“ Fast beleidigt klingt er da, nach dem Motto: Wir wollten ja toll spielen, aber die Angsthasen haben nicht mitgemacht. Gerade so schön in Fahrt, bekommen auch „die Medien“ noch eine Backpfeife: „Was mit Stefan Effenberg zurzeit passiert, ist eine ziemliche Unverschämtheit“, wettert Hoeneß. Trainer Ottmar Hitzfeld nannte die Berichterstattung über das Comeback des Spielmachers beim 0:1 in Bremen gar eine „Hetzkampagne“. Konfrontiert mit der kaiserlichen Majestätsbeleidigung – Beckenbauer hatte im Fernsehen die Effenberg’schen Freistoßkünste analysiert: „lächerliche Rückgabe, er hätte jemand anders schießen lassen sollen“ – murmelte Hoeneß nur: „Naja, okay, das möchte ich nicht kommentieren.“

Auf dem Platz hatte Effenberg keinen Zweifel daran gelassen, wer der Chef ist. Oder zumindest sein will. Effenberg forderte die Bälle, nahm sich jeden Eckball, jeden Freistoß – mit wenig Erfolg. Statisch wirkte das Spiel der Bayern oft; alle schienen auf Effenbergs Pässe und Ideen zu warten, doch viel kam bei den eigenen Leuten nicht an. Fast logisch die Pfiffe bei seiner Auswechslung in Minute 67. Es wird ihn nicht weiter gestört haben: Er ist es nicht anders gewohnt. Hitzfeld: „Ich bin froh, dass Effenberg 70 Minuten gespielt hat. Das bringt ihn weiter, das bringt den FC Bayern weiter.“

Erst als der Feldherr unter der Dusche stand, wurde aus der eher zähen Partie noch ein packendes Fußballspiel: die Führung für ManU, fast das 2:0 nach Keanes fulminantem Lattentreffer in der 86. Minute, eine Minute später der Ausgleich durch Sergio, fast noch der Siegtreffer durch Sforza in der ominösen Nachspielzeit – so stellt man sich Bayern gegen Manchester vor. Vielleicht wird’s ja wieder. Im Halbfinale dann.

FC Bayern München: Kahn - Sagnol, Kuffour, Robert Kovac, Lizarazu - Salihamidzic (73. Zickler), Hargreaves, Effenberg (67. Sforza), Sergio - Elber (67. Jancker), PizarroManchester United: Barthez - Gary Neville, Blanc, Brown, Irwin (46. Silvestre) - Beckham, Keane, Veron, Fortune - Scholes - van Nistelrooy (85. Yorke) Zuschauer: 59.000; Tore: 0:1 van Nistelrooy (74.), 1:1 Sergio (86.)

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