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Experte für Politverbrecher

Der ehemalige BGH-Richter Wolfgang Schomburg wird als erster Deutscher am Den Haager Tribunal Recht sprechen

Auch das ist ein Ausdruck der „neuen deutschen Normalität“: Ein Deutscher wird Richter am Internationalen Jugoslawien-Tribunal. Heute wird in Den Haag der Berliner Jurist Wolfgang Schomburg vereidigt und in sein Amt eingeführt. Er wurde im Sommer von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gewählt und beginnt eine vierjährige Amtszeit.

Das 1993 geschaffene Gericht hat seinen Sitz in Den Haag, beschäftigt inzwischen knapp 1.200 Menschen aus 77 Nationen und verfügt über einen Jahreshaushalt von fast 100 Millionen Dollar. Dass diese gewaltige Institution bisher erst 31 Angeklagte wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilte, zeigt, wie gründlich hier in jedem Einzelfall verhandelt wird. Die längste Verhandlung dauerte bisher 239 Tage.

Mit Schomburg wurde in diesem Sommer erstmals ein Deutscher zu einem der 14 Richter des Tribunals gewählt. Unter 25 Kandidaten erreichte der Berliner in der UN-Generalversammlung immerhin das fünftbeste Ergebnis. Und das rührt nicht nur daher, dass Deutschland drittgrößter Zahler für das Den Haager Gericht ist. Denn der 53-Jährige ist ein erfahrener Jurist und ausgewiesener Experte im Bereich des internationalen Strafrechts. Im Mai letzten Jahres schied er freiwillig als Richter am Karlsruher Bundesgerichtshof aus, um sich ganz der strafrechtlichen Zusammenarbeit in Europa zu widmen. So beriet er den in Straßburg ansässigen Europarat bei der Schaffung neuer Konventionen, aber auch Länder wie Russland, die Ukraine und Bosnien beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Strafjustiz.

Auf EU-Ebene gestaltet er die Einrichtung von Eurojust mit, einer Koordinationsstelle für die europaweite Zusammenarbeit von Staatsanwälten. Wahrscheinlich wird er in seiner Freizeit auch weiterhin in der europäischen Justizpolitik mitmischen. Schließlich ist Europol nur wenige hundert Meter von seinem neuen Amtsitz entfernt.

Auch die nachträgliche Ahndung der „Kriminalität der Mächtigen“ ist Schomburg schon lange ein Anliegen. So hatte er als Berliner Justizstaatssekretär Anfang der 90er-Jahre die dortige „AG Regierungskriminalität“ eingerichtet. Sie hat im Lauf der Jahre 16.000 Ermittlungsverfahren gegen DDR-Offizielle eingeleitet, von den Mitgliedern des Politbüros bis hin zu Verantwortlichen für das Doping im DDR-Sport. Rechtskräftig verurteilt wurden immerhin 211 Personen.

„Straftäter sollen vor Gericht nicht wie Politiker behandelt werden, denn es geht um kriminelle Taten“, sagte Schomburg damals, „die Motivation kann dann bei der Strafhöhe berücksichtigt werden.“ Das sieht er heute nicht anders. Auch Prozesse wie den gegen den jugoslawischen Exstaatschef Slobodan Milošević könne man „wie einen normalen Strafprozess führen“, betonte er kurz vor seinem Amtsantritt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Bald wird Schomburg noch einen deutschen Kollegen in Den Haag bekommen. Um die Arbeit des Tribunals zu beschleunigen, wurden im Sommer noch 27 Ergänzungsrichter („ad-litem-Richter“) gewählt, die für einzelne Fälle herangezogen werden können. Einer von ihnen ist Albin Eser, der Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. CHRISTIAN RATH

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