: Stress durch Sonnenschein
■ Siebter Bremer Krebskongress eröffnet / 400 SchülerInnen wollten alles über die Krankheit wissen / Auch Tod ist ein Thema der Veranstaltung / Die gute Nachricht: „Krebs ist heilbar, wenn er früh erkannt wird.“
Mit 200 hatten sie gerechnet. Es waren mehr als doppelt so viele Jugendliche, die gestern die letzten Plätze im Bremer Congress Centrum erstürmten. Dabei ging es nicht gerade um ein Teenie-Thema: Der siebte Bremer Krebskongress wurde eröffnet.
Dass zuviel Sonne und Zigarettenqualm nicht gut für die Gesundheit sind, wussten die SchülerInnen bestimmt schon längst. Gestern konnten sie sich aber drei Stunden lang über die Entstehung von Krebs schlau machen. Und darüber, was passiert, wenn Nikotin die Lungenbläschen krankhaft verändert. Oder warum knackige Bräune die Hautzellen extrem stresst und es zu Tumoren kommt. Aufklärung für die Jugendlichen statt Moralpredigten mit erhobenem Zeigefinger. Und gleich zu Anfang hatte Ernst-Heinrich Schmitt, Vorsitzender der Bremer Krebsgesellschaft, auch eine gute Nachricht für die Jugendlichen: „Krebs ist heilbar, wenn er früh erkannt wird.“
Ein Schwerpunkt des gesamten Krebskongresses, der zum siebten Mal in Bremen stattfindet, liegt auf der Früherkennung von Erkrankungen. In Deutschland erkranken jährlich 46.000 Frauen neu an Brustkrebs, jeder 10. Mann an Prostatakrebs. „Je früher wir die Krankheit kennen, umso weniger Menschen müssen daran sterben“, betont Heribert Kaulen, Chefarzt der Roland-Klinik. Diese Früherkennungsmaßnahmen kosten aber eine Menge. Allein das Bremer Brustkrebs-Screening kostet zwölf Millionen Mark. „Eigentlich müss-te der ganze Mensch auf Krebs untersucht werden, nicht nur ein einzelnes Organ“, sagt Kaulen. In unserem Gesundheitssystem sei dieses Geld aber nicht drin. Neue und erfolgversprechende Therapiemöglichkeiten gegen die Krankheit gibt es zwar, aber sie sind teuer. Durch Einsparungen im Gesundheitswesen bleibt die Finanzierung oft ungeklärt. Ursula Auerswald, Präsidentin der Bremer Ärztekammer hofft: „Vielleicht finden wir hier Wege und Lösungsansätze für diese schwierigen Probleme“.
Neben den klassischen Behandlungsformen wie Chemotherapie und anderen Medikamenten nimmt auch die Genetik in der Krebsforschung großen Raum ein. „Die Erwartung der Patienten an die Gentherapie ist sehr hoch“, erklärt Heribert Kaulen. Es werde aber noch lange dauern, bis klar sei, was die Genmedizin für Betroffene bringt. Zur Zeit werden weltweit 3.000 Personen mit verschiedenen Krankheiten gentherapeutisch behandelt. Von nur sieben Prozent der Ansätze weiss man schon heute, dass sie erfolgreich sind.
Und was macht die Medizin, wenn sie nicht mehr behandeln kann?
„Wenn wir als Ärzte die Waffen strecken müssen“, sagt Ernst-Heinrich Schmitt, „weil es hoffnungslos ist, weiter zu behandeln, wird es ganz schwer“. Auch dieses traurige Thema hat hier auf dem Kongress seinen Platz. Die Begleitung von Sterbenden und deren Pflege nimmt vor und hinter den Seminarraumtüren viel Raum ein. Wenn eine Krankheit aussichtslos scheint und die Medizin nicht mehr weiter weiß, dann geht es nicht mehr in erster Linie um den Körper des Patienten. Ernst-Heinrich Schmitt: „Wir kümmern und dann um den Schutz des Patienten und um seine Seele“.
Melanie Haselhorst
Am Samstag findet für alle Interessierten eine öffentliche Veranstaltung im Bremer Congress Centrum statt. Experten beraten von 14 bis 16 Uhr über den aktuellen medizinischen Stand und über neue Entwicklungen. In Kleingruppen können Betroffene und Angehörige ihre Erfahrungen austauschen. Ein Experte informiert die Gruppe dann je nach gewähltem Bereich, 20 Fachgebiete sind abgedeckt.
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