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Teure Tour nach Oldenburg

■ Asylbewerber sind in ihrer Bewegungsfreiheit stark beschränkt. Ein Kameruner aus Edewecht kämpft vor Gericht gegen die Residenzpflicht

25 Tagessätze à acht Mark, zusammen zweihundert: Klingt irgendwie billig. Das komplette Bareinkommen von zweieinhalb Monaten: Klingt irgendwie teuer. Soviel soll Richard Ndika Ndakwe laut Urteil des Landgerichts dafür bezahlen, dass er im April von Edewecht ins sieben Kilometer entfernte Oldenburg fuhr. Sein Problem: Er ist Asylbewerber und muss sich laut Asylverfahrensgesetz in dem Landkreis aufhalten, dem er zugewiesen wurde. Für Ndakwe, der in einem Asylbewerberheim in Edewecht wohnt, ist das der Landkreis Ammerland, halb um die Stadt Oldenburg herumgelegen. Was im Juristendeutsch „Residenzpflicht“ heißt, bedeutet im Klartext, dass Ndakwe nicht bei Aldi in Oldenburg einkaufen oder mit dem Bus ins ammerländische Rastede fahren kann, weil der über Oldenburg fährt – es sei denn, er holt sich vorher eine Genehmigung von der Ausländerbehörde.

Darum ging es im Berufungsverfahren vor dem Oldenburger Landgericht, nachdem das Amtsgericht Westerstede Ndakwe gar zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen, also 320 Mark, verurteilt hatte: An jenem Tag im April wurde der Flüchtling aus Kamerun ohne das Genehmigungspapier in Oldenburg erwischt, ausgerechnet in der Ausländerbehörde. Dort half er einer anderen Asylbewerberin beim Ausfüllen ihrer Papiere, die bei der Initiative „Café Asyl“ um Beratung gebeten hatte. Eigentlich ein ehrenwertes Engagement, waren sich alle Prozessbeteiligten einig, einschließlich des Zeugen von der Ausländerbehörde Ammerland. Der vertrat aber dennoch die Auffassung, sein Landkreis habe an der Strafverfolgung von Ndakwe ein besonderes Interesse – und erhielt dafür telefonisch Rückendeckung von Landrat Jörg Bensberg. Schließlich habe Ndakwe in vier Jahren schon das fünfte Mal gegen die Residenzpflicht verstoßen. Damit war der Weg für eine Einstellung des Verfahrens versperrt.

Im März 1999 belegte der Landkreis den Angeklagten mit einem Bußgeld, weil er zu einem Exilanten-Treffen nach Bochum gereist war. Ndakwes Begründung, er sei nach Dienstschluss der Ausländerbehörde kurzfristig eingeladen worden, verwarf die Ausländerbehörde ungeprüft – rechtswidrig, wie seine Hamburger Anwältin Gabriele Heinecke sagt. Als er ein halbes Jahr später in Hamm aufgegriffen wurde, setzte es einen Strafbefehl. Wie sich jetzt im Prozess herausstellte, besaß er für diesen Tag eine Reiseerlaubnis, musste nur wegen seines DB-Wochenendtickets einen Umweg nehmen. Ein drittes Mal soll Ndakwe unerlaubt in Leer gewesen sein. „War ich nicht“, sagt er. In seinem Mehrbettzimmer sei sein Aufenthaltspapier abhanden gekommen. Offenbar habe es jemand anderes benutzt.

Fragen, auf deren Prüfung das Gericht verzichtete, denn unzweifelhaft wurde Ndakwe ein weiteres Mal ohne Erlaubnis in Oldenburg erwischt. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn die Residenzpflicht ist eine Ausnahme im deutschen Recht: Schon der zweite Verstoß gilt als Straftat, nicht mehr als Ordnungswidrigkeit.

Da hilft auch nicht, dass Ndakwe nach dem Amtsgerichtsprozess eine dauerhafte Erweiterung seines Aufenthaltsbereichs bis Oldenburg jeweils für dienstags bis donnerstags erhalten hat, damit er seinen flüchtlings- und exilpolitischen Aktivitäten nachgehen kann. Seine Anwältin vermutet, dass ihm eine solche Genehmigung vorher rechtswidrig verweigert wurde. Ohnehin gäbe es eine einfachere Lösung für die Flüchtlinge im Ammerland: Bis Anfang der Neunziger Jahre konnten sie ungehindert nach Oldenburg fahren – bis die Stadt meinte, die Etablierung einer Drogenszene zu beobachten. Seit sich herausgestellt hat, dass kein Zusammenhang mit den Flüchtlingen aus dem Umland bestand, folgt Oldenburg wieder der Empfehlung des niedersächsischen Innenministeriums, den „kleinen Grenzverkehr“ für Flüchtlinge zuzulassen. Aber Ammerland erteilt keine entsprechenden Genehmigungen.

Für Richard Ndika Ndakwe geht es ohnehin um mehr. „Mit diesem Gesetz gerate ich in Koflikt, weil ich ein Mensch bin und mich auch so verhalte“, sagt der 31-Jährige. Im Sommer hat er sich deshalb an der Flüchtlings-„Karawane“ gegen die Residenzpflicht beteiligt. Das Gesetz sei inhuman und auf Rassismus gegründet, sagt Ndakwe. Es behindere Flüchtlinge in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und sei daher verfassungs- und völkerrechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat schon mal entschieden, dass geringe Verstöße nicht bestraft werden sollen. Deshalb hat Ndakwe jetzt Revision eingelegt. Jan Kahlcke

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