Ein Land in Angst

„Selbst wenn wir sterben sollten“: Simbabwes nahende Wahlen werden zur Machtprobe zwischen Präsident Robert Mugabe und der Opposition

aus Harare MARTINA SCHWIKOWSKI

Renson Gasela beendet eilig seinen Satz: „Einschüchterungen können die Meinung nicht verändern, aber die Leute von der Wahl fern halten.“ Dann reißt der Landwirtschaftssprecher der simbabwischen Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) das Fenster auf. Zwischen den Häuserschluchten in der Innenstadt der Hauptstadt Harare laufen Menschen in Panik auseinander. Geräusche des Tumults und Rufe dringen hinauf in die MDC-Büros im „Harvest House“ an der Nelson Mandela Avenue. „Einige von uns fürchten sich nicht. Selbst wenn wir sterben sollten. Man muss für die Demokratie kämpfen“, sagt sein Kollege.

Die versammelten MDC-Abgeordneten sind in Sorge, die 500 Meter ins Parlament nicht ohne gewaltsame Zwischenfälle zurücklegen zu können. Denn Anhänger der Regierungspartei haben ihnen Schläge angedroht, falls die angeblichen „Staatsterroristen“ an diesem Nachmittag ins Parlament kommen sollten. Die Lagebesprechung beginnt.

Die politische Lage in Simbabwe ist seit dem brutalen Mord am Kriegsveteranenführer Cain Nkala in Bulawayo vor zwei Wochen eskaliert. Staatspräsident Robert Mugabe beschuldigt die MDC der Tat, nennt sie Terroristen und kündigt an, ihre Tage seien gezählt. Dem Präsidenten ist jedes Mittel recht, um die vor Ende März anstehenden Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Aber Beweise für tatverdächtige Oppositionelle gibt es nicht. „Niemand glaubt daran, dass Nkala von der Opposition umgebracht worden ist“, sagt Professor Masipula Sithole, Politologe an der Universität von Simbabwe. Die Regierungspartei habe den Mord inszeniert.

„Es ist ein Spiel des Willens“, sagt Sithole über den beginnenden Wahlkampf. Änderungen des Wahlgesetzes, die die Eintragung ins Wahlregister erschweren, werden vermutlich zahlreiche Regierungsgegner von der Wahl ausschließen. Misshandlungen mutmaßlicher Oppositionsanhänger durch Schlägertrupps und so genannte Kriegsveteranen nehmen zu. „So schlimm war es noch nicht mal zu Zeiten des Befreiungskampfes“, sagt Tarcisius Zimbiti, Direktor der Katholischen Kommission für Recht und Frieden. Leute werden nachts abgeholt, und selbst die Kirche erhält Drohungen am Telefon. Bei Gesprächen letzte Woche mit einem EU-Team in Harare verließ Mugabe wutentbrannt den Raum, als Belgiens Außenminister und EU-Präsident Louis Michel zur Wahrung der Menschenrechte aufrief.

Die Opposition müsse dennoch an den Wahlen teilnehmen und sie notfalls für unfair erklären, meint Sithole. „Die MDC wird viele Stimmen von Protestwählern erhalten, aber wie das Ergebnis unter diesen unfairen Umständen auch ausfällt – das Risiko müssen wir eingehen.“ Im Falle einer Niederlage werde Mugabe versuchen, Einfluss zu nehmen, aber er müsse das Ergebnis früher oder später akzeptieren, denkt er.

Auf keinen Fall dürfen die Wahlen verschoben werden, meint Brian Kagoro, Koordinator im Krisenkomitee, dem 250 Bürgerrechtsgruppen angeschlossen sind. „Es brodelt, und dann nehmen die Leute das Gesetz in die eigene Hand. Die Polizei ist sowieso parteiisch zugunsten Mugabes Anhängerschaft.“

Die Menschen in Harare scheinen sich einmütig zu wünschen, dass der einst als Befreiungsheld gefeierte Mugabe nach 21 Jahren an der Macht endlich verschwindet. „Nichts hat er für uns getan“, heißt es in den Straßen. Viele scheinen voller Hass gegen den Präsidenten, der „stets über Leichen gegangen ist“. Der Alltag ist beschwerlich: Die Inflation steht knapp vor der 100-Prozent-Marke, es gibt keine Arbeit, und immer mehr qualifizierte Kräfte verlassen das Land. Für viele Simbabwer ist es schwierig, bei den ständig steigenden Preisen ihre Familien zu ernähren; auf dem Land gibt es bereits Hunger. „Aber das Leben ist nicht lebenswert, wenn wir die Hoffnung aufgeben“, sagt Sithole. „Vielleicht kündigt Mugabe auf dem Parteikongress Mitte Dezember auch seinen Rücktritt an.“

Im „Harvest House“ setzen sich rund zwanzig MDC-Abgeordnete in Bewegung Richtung Parlament. Wie Schatten mischen sich lautlos jugendliche MDC-Mitglieder aus den Straßenecken in den kleinen Zug auf der Nelson Mandela Avenue: Leibwächter für besorgte Politiker. Polizeikräfte sichern den Eingang des Parlamentsgebäudes. Aber die Regierungsgegner gelangen unbeschadet hinein. Zumindest an diesem Tag.