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Der General und das Volk

Mit einem „Versöhnungsforum“ will Präsident Gbagbo die kriselnde Elfenbeinküste wieder stabilisieren. Die großen Politiker des Landes überhaupt zur Teilnahme zu bewegen, das war schwer

aus Abidjan HAKEEM JIMO

Robert Guei wollte nie dabei sein. Nicht beim Militärputsch zu Weihnachten 1999, als Soldaten den ersten Staatsstreich in der Geschichte der Elfenbeinküste verübten und den General an die Spitze hievten. Und auch nicht bei der Versöhnungskonferenz, die derzeit in der ivorischen Metropole Abidjan tagt, um die Rivalitäten zu überwinden, die seit Gueis Putsch die Elfenbeinküste in die Krise gestürzt haben. Sicherheitsbedenken führte Guei zunächst an, um nicht vor dem „Forum für nationale Versöhnung“ zu erscheinen.

Der jetzige Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, der im Oktober 2000 Wahlen gegen Guei gewann und dann per Volksaufstand den Militärherrscher zum Rücktritt zwingen musste, hatte das Forum Anfang Oktober eröffnet. Bis zum 10. Dezember soll die Versammlung aus Politikern, religiösen Führern, Vertretern privater Organisationen, Menschenrechtsgruppen und ausländischen Mitbürgern die Gründe für die soziokulturellen Unruhen des Landes analysieren – so heißt es offiziell in der Aufgabenstellung. „Wir brauchen eine Versöhnung in unserer Gesellschaft“, sagt Gonnin Gilbert, Sprecher der Menschenrechtsorganisation LIDH (Ivorische Menschenrechtsliga). „Die Gesellschaft ist entlang religiöser und ethnischer Linien gespalten. Zudem gibt es immer noch politische Gefangene aus der Opposition, und die Sicherheitskräfte müssen sich wegen diverser Menschenrechtsverletzungen verantworten.“

Dennoch sind die Empfehlungen des Forums für keine Institution verbindlich. Und schon die Ernennung des Vorsitzenden war umstritten. Staatspräsident Gbagbo betraute Gueis früheren Premierminister Seydou Elimane Diarra mit der Aufgabe. Teile der Opposition hingegen forderten eine international renommierte Person.

Seit der Forumseröffnung warten die Bürger auf ein Zeichen der großen vier, deren Machtkampf untereinander das politische Leben der Elfenbeinküste bestimmt: des jetzigen Präsidenten Laurent Gbagbo, lange sozialistischer Oppositionsführer; des 1999 gestürzten Expräsidenten Henri Konan Bédié aus dem seit der Unabhängigkeit 1960 herrschenden Establishment; des Exmilitärmachthabers General Robert Guei, der nach dem Putsch von 1999 entgegen seiner Versprechungen zum Diktator wurde; und des früheren Premierministers aus dem muslimisch geprägten Norden, Alassane Dramane Ouattara, der jetzt von den anderen drei abgelehnt wird. Doch trotz der bis heute angespannten gesellschaftlichen Lage gibt es bei den politischen Führern kaum Bereitschaft zur Versöhnung.

Für die vier war eine gesonderte Sitzung des Forums für Mitte des Monats freigehalten worden. Gbagbo und Bédié kamen – Guei und Ouattara nicht. Ouattara, der sich im französischen Exil befindet, verlangte wie Guei Sicherheitsgarantien.

Bei Ouattara kommt der Steit um seine Nationalität hinzu. Unter Guei wurde ihm eine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen verwehrt, da seine Mutter angeblich nicht ivorischer Abstammung sei. Auch der jetzige Präsident Gbagbo, der daraufhin als einziger gewichtiger Kandidat gegen Guei antreten konnte und siegte, nimmt keinen Abstand von dieser Regelung. Mit dem Ausschluss von Ouattara aus der Politik fühlen sich weite Teile des Nordens der Elfenbeinküste ebenfalls zu Staatsbürgern zweiter Klasse degradiert. Fremdenfeindlichkeit und Misstrauen zwischen Nord und Süd haben sich in der ivorischen Gesellschaft eingeschlichen.

Beim Volk scheint der Wunsch nach Versöhnung drängender als bei den Politikern. Jugendliche engagieren sich dafür häufig auf Konzerten und Veranstaltungen. Dabei kreiden sie der Politik Eigeninteressen und Machtspiele an – etwa den wahltechnischen Ausschluss Ouattaras. Dennoch verbucht Gbagbo außenpolitische Siege. Die EU erkennt „signifikante Entwicklungen“ in der ivorischen Gesellschaft und verspricht eine Wiederaufnahme der 1999 gesperrten Entwicklungszusammenarbeit für Januar – egal wie das Forum ausgeht.

Gestern entschied Ouattara, doch an dem Forum teilzunehmen. General Guei hatte schon vorher seine Meinung geändert und erschien am Montag. Im ersten Teil seiner Rede bat er alle möglichen Menschen und letztlich die ganze Welt um Entschuldigung dafür, dass er nicht schon zum vereinbarten Termin gekommen war. Für sein Regime, für seinen Putsch und für seine Weigerung, 2000 seine Wahlniederlage anzuerkennen, entschuldigte er sich nicht.

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