Für immer trocken

Fast schon Rock: Heute Abend liefern Smog im Knaack den richtigen Soundtrack zu den verregneten Tagen

Es gab einmal eine Zeit, da spielten Smog den perfekten Soundtrack für einen Morgen, an dem man nicht aus dem Bett kommen mag. Für einen jener verregneten Tage, an denen schon der Blick aus dem Fenster reicht für einen halbwegs ernst gemeinten Selbstmordversuch. An solchen Tagen nahm Bill Callahan, Stimme, Hirn und oft einziges Mitglied von Smog, diese vollkommen verlorene Stimmung für uns alle auf sein Gemüt, lud sich die verfügbaren Depressionen auf die Schultern und das Leid der Welt gleich noch dazu. Hörte man den Beauftragten für stellvertretende Traurigkeit so demonstrativ resignieren, während die Musik seiner Begleitmusikanten nahezu zum Stillstand kam, ging es einem selbst gleich viel besser.

Doch nun scheint alles anders: Nicht dass aus unserem Freund Bill plötzlich ein lebensbejahender, fröhlicher Musikus geworden ist, aber er spielt nicht mehr ausschließlich den Erlöser der Schwermütigen. Auf seinem aktuellen Album „Rain on Lens“ führt er fort, was sich schon auf dem letztjährigen „Dongs of Sevotion“ andeutete: Der mittlerweile in Chicago residierende Callahan entfernt sich zunehmend und entschieden von den unterinstrumentierten, seltsam ereignislosen Musik, mit der er bekannt wurde.

Fast schon könnte man es Rock nennen, was sich neuerdings unter dem Namen Smog abspielt, wenn auch ein sich aufs Allernötigste beschränkender Rock. Geholfen haben ihm dabei Kollegen von Eleventh Dream Day und US Maple. Die wissen ebenso gut wie Callahan, wie man traditionelle Harmonien zerlegt. Nun scheinen sie ihm auch noch beigebracht zu haben, wie man sie wieder zusammen setzt. So entstehen zunehmend Songs, die so reduziert und trocken sind, als sollten sie haltbar gemacht werden für die Ewigkeit des Singer/Songwriter-Olymp.

Was er denn werden wolle, wenn er erwachsen wäre, wurde Callahan vor ein paar Jahren gefragt. Er dachte eigentlich, er sei bereits erwachsen, hat er geantwortet, aber werden wolle er dereinst einmal: ein kauziger alter Mann. Dabei ist er das doch schon: Er interessiert sich nicht für Politik, erzählt er in Interviews, und die einzige TV-Sendung, die er guckt, seien „Die Simpsons“. Wenn ihm langweilig wird, zieht er einfach in eine neue Stadt.

Als er in Sacramento lebte, hatte er dort nur einen einzigen Freund, und ans Telefon geht er aus Prinzip nicht. Was allerdings nicht weiter schlimm sei, verkündet er, schließlich ist er eh am liebsten allein. Trotzdem aber nennt noch niemand Callahan in einem Atemzug mit Lou Reed, Leonard Cohen oder auch Tom Waits. Warum eigentlich nicht? Denn auch wenn Callahan erst langsam die Lakonie entdeckt, dank der Cohen und Reed noch die kitschigsten Großstadtklischees zu Poesie veredeln können, erinnern seine Songs in ihrer knarzigen Rockigkeit doch längst an die verdientesten Momente dieser alten Männer. Schenkt diesem Mann sofort einen Schaukelstuhl. Und ein faltiges Gesicht. THOMAS WINKLER

Heute im Knaack, 22 Uhr, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg