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Mut zur Moderne

Die vor einem Jahr eingeweihte mexikanische Botschaft verbindet die Formensprache der internationalen Moderne mit lokaler Bautradition

Der kühle Duktus des Baus hält sich an die strengen Vorschriften des steinernen Berlins

von LARS KLAASSEN

Im Kontext der zahlreichen Architekturprojekte, die nach Mauerfall und im Zuge des Regierungsumzugs in Berlin realisiert worden sind, ist die Botschaft der Vereinigten Staaten von Mexiko eines der im besten Sinne exponierten Vorhaben.

Der an der Ecke Klingelhöfer-/Rauchstraße gelegene, vor fast genau einem Jahr eingeweihte Bau präsentiert sich nicht nur durch seine exponierte Lage und Größe als einer der prägenden Solitäre des so genannten Tiergarten-Dreiecks. Dieses 30.000 Quadratmeter große Areal wurde nach langem Brachendasein von der Groth-Gruppe mit Wohn- und Geschäftshäusern, Botschaftsgebäuden und der Bundeszentrale der CDU bebaut.

Die mexikanische Botschaft ist das zweitgrößte Gebäude auf dem Areal. Der weiße Kubus der Architekten Teodoro Gonzáles de Léon und Francisco Serrano (Mexiko-Stadt) ist im Stil der internationalen Moderne gehalten. Das Team hat sich mit diesem Entwurf erneut der Linie Le Corbusiers verpflichtet.

Der explizit kühle und avantgardistische Duktus des Baus bleibt den strengen Bauvorschriften, die sich am traditionellen „steinernen“ Berlin orientieren, buchstabengemäß treu: Die Traufhöhe der Botschaft beträgt exakt 18 Meter und der Grundriss weicht nicht einen Meter aus der von der Blockrandbebauung vorgegebenen Flucht. Die puristisch-strenge Geometrie des Gebäudes erhält durch sanft geschwungene Betonstreben und die dahinter liegende, transparente Glasfassade eine fröhliche Eleganz. Dieser Eindruck wird durch das Material verstärkt, das nicht nur die Außenhaut, sondern auch das Innenleben des Gebäudes dominiert: Der gemeißelte Sichtbeton – ein in Mexiko weit verbreiteter Baustoff – ist aus gemahlenem Marmor anstelle von Sand und aus Marmorstückchen anstelle von Kies hergestellt worden.

Linkerhand schließt sich an das zweigeschossige Foyer ein Multifunktionssaal für bis zu 250 Personen an, der von mobilen Trennwänden unterteilt, aber auch mit dem Foyer verbunden werden kann. Künftig soll hier eine Kinoleinwand angebracht werden. Die rund 8.000 Bände umfassende Botschaftsbibliothek wurde nach dem Umzug in die neue Hauptstadt dem Iberoamerikanischen Institut in der Staatsbibliothek zur Verfügung gestellt, das unweit der Repräsentanz liegt.

Das eigentliche Herzstück der Botschaft ist ein zylindrischer Raum, der sich über die volle Höhe des Gebäudes erstreckt und von einem flachen Glasdach abgeschlossen wird. Die Gestalt dieses Raumes ist eine Reminiszenz an präkolumbianische Maya-Observatorien. Über dieses Atrium wird das Gebäude mit einem gläsernen Aufzug erschlossen. Zum Foyer führen zweigeschossige Durchgänge, deren aufstrebende Linien in den oberen Geschossen des Zylinders von Fenstern aufgenommen werden. Auch hier wird mit einer schrägen, sich nach oben verjüngenden Türöffnung das Erbe der Maya-Architektur zitiert.

Verweise auf die mexikanische Baukultur, die im Botschaftsgebäude mit der klassisch-modernen Formensprache eine harmonische Symbiose eingeht, finden sich auch in den dekorativen Details: An der Rückseite des Atriums wurden neben den Aufzügen terrassenförmige, symmetrisch bepflanzte Beete angelegt – in Anlehnung an die Maya-Pyramiden. Die strenge Pflanzengeometrie stellt sich dem Betrachter aus jedem Blickwinkel anders dar. Über den Beeten öffnet sich der Zylinder mit runden Fenstern nach außen.

Das Arbeitszimmer des Botschafters liegt im dritten Obergeschoss an der nordöstlichen Ecke des Gebäudes. Während der Ausblick zur Klingelhöferstraße durch die Betonlamellen der Vorderfront eingeengt wird, bietet sich nach Norden durch das große Panoramafenster ein ungehinderter Blick über die nordischen Botschaften zum Tiergarten. Eine schönerer Ausblick eröffnet sich lediglich auf dem begrünten Dach des Gebäudes, das als Terrasse genutzt wird.

Bis zum 15. Januar ist in der Botschaft die Ausstellung „Zoología Fantástica“ mit Werken des sowohl von Paul Klee als auch von von der altindianischen Mystik beeinflussten mexikanischen Künstlers Francisco Toledo zu sehen. Mo–Fr 10–17 Uhr, Klingelhöferstraße 3, 10785 Berlin.

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