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Kubricks Geheimnisse

■ Die Highlights „profile intermedia“ lieferte wieder einmal das Kino

Es mag ja um die Schnittstellen zwischen „Design, Kunst, Architektur, Photographie, Film, Video, Performance und Musik“ gehen bei der Konferenz „Profile intermedia“, die an diesem Wochenende zum vierten Mal im Bremer Messezentrum stattfand, aber das einzige mythenschaffende, glänzende Medium in diesem großen Crossover ist und bleibt das gute alte Kino. Und mit dessen Federn hat sich der Organisator Peter Rea auch von Anfang an am liebsten geschmückt. Peter Greenaway und Wim Wenders waren in den ersten Jahren die angekündigten Stargäste – Wenders kam nicht und begründete damit eine andere Tradition der Konferenz: Wenn jemand auf dem Programm steht, bedeutet dies noch nicht viel. So fiel leider stillschweigend der Inder Raman v Raman mit seinem Vortrag über die indische Filmkultur mit den Melodramen von Bollywood aus, von dem sich einige Cineasten viel versprochen hatten.

Inzwischen weiß man auch, dass Rea gerne seine alten Kumpels wieder einlädt. Paul Sammon aus Los Angeles hatte im letzten Jahr einen Vortrag über die Entstehungs-geschichte von „Blade Runner“ gehalten, der sehr gut ankam. Warum ihn also diesmal nicht etwas über Kubricks „2001“ erzählen lassen? Während er bei Scotts Film zwar immerhin zum Designerteam gehörte, hatte er direkt mit diesem Science-Fiction-Epos nichts zu tun, aber er weiß halt viel davon und erklärte auch sehr fundiert und unterhaltsam welche Effekte mit welchen Tricks erzielt wurden. Sehr erhellend waren auch seine Ausführungen darüber, dass es für alle rätselhaften Stellen im Film ganz einfache Erklärungen im Drehbuch von Arthur C. Clarke gab, Kubrick sie aber wieder aus dem Film herauskürzte – zum Teil, weil er sie tricktechnisch nicht bewältigte, aber wohl auch, um bewusst zu mystifizieren.

Am zweiten Tag stellte Kyle Cooper die Produkte seiner Firma „imaginary forces“ vor: Titelsequenzen. Dazu rezitierte er erst mal mit dem Prolog aus „Henry V“ ein ziemlich langes Stück Shakespeare. Nicht nur, weil er den Namen seiner Firma daraus entlehnt hat, sondern auch, weil er die Titel von Filmen als nichts Geringeres als deren Prologe ansieht. Titel sollen für ihn neben den Namen von Mitwirkenden und Machern erste Informationen über die Geschichte liefern, vor allen Dingen aber die Grundstimmung des Films vermitteln und durch verschiedene, sich widersprechende Bedeutungsebenen der Bilder Spannung erzeugen. Dies ist Cooper ideal in dem inzwischen als stilbildend geltenden Buchstabenrätsel beim Beginn von „Seven“ gelungen. Auch bei den anderen gezeigten Titeln sieht man, dass das Design für ihn im Mittelpunkt steht, manchmal bis zur Unlesbarkeit. Cooper ist wohl der ers-te reine Titelmacher, dem eine eigene Retrospektive gewidmet wurde, mit „Forget the movie, look at the titles“ zutreffend betitelt.

In einem ergänzenden Workshop stellt Karl Heinz Schmid vom Kino 46 eine kleine Filmgeschichte der Titelsequenzen vor, die er sich, weil es dazu so gut wie keine Literatur gibt, mühsam anhand von Videokassetten zusammensuchen musste. Der zweiteilige Workshop war interessant und fundiert präsentiert, litt aber an organisatorischen Schwierigkeiten, so dass Schmid ihn wohl demnächst noch einmal in aller Ruhe im Waller Medienzentrum halten wird.

Den dramaturgisch gut gesetzten krönenden Abschluss der Konferenz lieferten schließlich zwei Computertüftler von der Londoner Firma „mill film“, die sich auf special effects spezialisiert hat und für ihre Arbeiten an „Gladiator“, „Tomb Raider“ und „Harry Potter“ gefeiert wird. Sehr ins Detail ging dabei die Schilderung, wie kompliziert es war, für „Tomb Raider“ mit 3D-Computer-Programmen eine Armee von steinernen Affen erst zu animieren und dann wieder kaputtzuschießen. Richtig schön wurde es dann aber erst, als Gabriel White zeigte, mit welchen Computertricks für „Gladiator“ unter anderem das Colosseum so realistisch in die Einstellungen kopiert wurde, dass man die special effects unmöglich erkennen konnte.

Wilfried Hippen

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