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Miss Eli auf der Jagd nach Rekorden

Die 16-jährige Erfurterin Elisabeth Pätz kommt bei der Schach-WM als jüngste Teilnehmerin ins Achtelfinale

BERLIN taz ■ TV-Lästermaul Harald Schmidt in wenigen Zügen matt zu setzen und die Klitschko-Brüder in einer Blind-Partie (ohne Ansicht des Brettes) quasi in Runde zwei auszuknocken, gilt in Schachkreisen nicht gerade als Ritterschlag. Ihren Sprüchen, mit denen Elisabeth Pähtz Johannes B. Kerner unterhielt und Schmidt in zwei seiner Shows Paroli bot, ließ die 16-Jährige bei der Schach-WM in Moskau nun Taten folgen: Im Achtelfinale war die Erfurterin jüngste Teilnehmerin, ein weiterer Rekord, den sie im deutschen Schach brach. Mit 13 Jahren feierte „Miss Eli“ ihr Debüt in der Frauen-Nationalmannschaft, mit 14 wurde die Dresdner Bundesliga-Spitzenspielerin deutscher Damen-Meister, nun, mit 16, ist sie Großmeisterin.

Als einzige gebürtige Westeuropäerin hatte sich Elisabeth Pähtz für das 64-köpfige WM-Feld im Moskauer Kreml qualifiziert. Auch wenn sich die Weltranglisten-49. noch keine Chancen auf den WM-Titel ausgerechnet hatte, jagen sie große Namen nicht ins Bockshorn. Ex-Weltmeisterin Maja Tschiburdanidse, die nach dem Achtelfinal-Aus von Alisa Galliamowa gegen Alexandra Kosteniuk (beide Russland) zur Topfavoritin aufstieg, sei „doch alt und langsam. Da spiele ich in den zwei Partien 1:1 und mache sie anschließend im Schnellschach ab“, verkündete Pähtz keck in Richtung der 40-jährigen georgischen Legende. Den Beweis ihrer Worte kann die Gymnasiastin aber nicht mehr antreten – diesmal zumindest nicht. In der Runde der letzten 16 unterlag die Nationalspielerin gegen Cristina Foisor. Nach einem Remis in der ersten Begegnung gewann die Rumänin die zweite Partie.

Trotzdem darf Elisabeth Pähtz mit ihrem Abschneiden zufrieden sein. Ursprünglich war der Rückflug gleich für vergangenen Donnerstag gebucht worden, um tags darauf bei der Deutschen Männer-Meisterschaft in Altenkirchen Erfahrung zu sammeln. Doch die Erfurterin schaltete erst die U-20-Europameisterin Iweta Radziewicz (Polen) aus, dann setzte sie sich auch noch überraschend gegen Wang Lei mit 1,5:0,5 durch. Die 26-jährige Weltranglistenfünfte galt immerhin in Abwesenheit von Titelverteidigerin Xie Jun als eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen auf den freien Schach-Thron.

Während bei den Männern allein der Weltmeister rund 1,1 Millionen Mark einstreicht, steht solch eine Summe gerade mal dem gesamten Frauenfeld zur Verfügung. Immerhin: Elisabeth Pähtz bescherte der Husarenstreich gegen Wang Lei ein nettes Taschengeld von rund 15.000 Mark. Das investiert Vater Thomas Pähtz sen., selbst Großmeister, ins Training. „Dank unserer Sonderförderung mit deutschen Spitzenspielern hat sie das Zeug, um in die Weltspitze vorzustoßen. Eli ist talentiert, fleißig und ehrgeizig“, befindet Bundestrainer Uwe Bönsch.

Ihren Sprung unter die Top Ten hält auch Garri Kasparow für beschlossene Sache. Der Weltranglistenerste, der bisher in Moskau beim „Gegenturnier“ zur offiziellen WM zweimal gegen Braingames-Weltmeister Wladimir Kramnik remisierte, war nach einem direkten Duell auf der Cebit in Hannover von Elisabeth Pähtz so beeindruckt, dass er Innenminister Otto Schily um staatliche Unterstützung für das Ausnahmetalents bat. Doch Fördermodelle wie in China sind in Deutschland undenkbar, Elisabeth Pähtz geht deshalb weiter zur Schule, im Sportinternat in Erfurt will sie ihr Abitur machen.

Obwohl die Großmeisterin wegen Turnierteilnahmen den Unterricht häufig nachholen muss, sind ihre Zensuren gut, vor allem Englisch mag sie. „Da muss ich nicht aufpassen, weil ich es auf Reisen automatisch übe.“ Und beim Rest hilft ihr ihr fotografisches Gedächtnis: In einer kurzen Pause verschlingt Elisabeth Pähtz zwei, drei DIN-A4-Seiten und kann sie anschließend auswendig herunterbeten. Diese Fertigkeit half ihr zwei Tage vor dem Abflug nach Moskau allerdings wenig. Ein Deutsch-Aufsatz stand da auf dem Programm. HARTMUT METZ

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