piwik no script img

Kein Einzelfall im „dubiosen System“

■ Auf Großbaustelle „Berliner Bogen“ mussten Bulgaren zu Niedrigstpreisen arbeiten

Nach außen hin soll der Bau Hamburg glanzvoll repräsentieren: Moderne Architektur mit viel Glas, ein Blickfang für alle PassantInnen am Berliner Tor. Auf der anderen Seite repräsentiert die Baustelle aber auch Geschäftspraktiken, auf die die Bauunternehmer weniger stolz sein können: Die IG Bau hat gestern darauf aufmerksam gemacht, dass auf der Großbaustelle „Berliner Bogen“ bulgarische Arbeiter für einen Stundenlohn von 1,84 Mark bis 4,15 Mark malochen mussten. „Modernes Sklaventum“ nennt das IG Bau-Geschäftsführer Andreas Suß.

Generalunternehmer des „Berliner Bogen“ ist der Hamburger Groß-Investor Dieter Becken. Der musste sich in den vergangenen Wochen bereits gegen den Vorwurf verteidigen, bei der Sanierung des ehemaligen Polizeipräsidiums am Berliner Tor Schwarzarbeiter beschäftigt zu haben. Die Verantwortung für das Lohndumping beim „Berliner Bogen“ weist er zurück: Nicht er als Bauunternehmer habe die Männer angestellt, sondern die bulgarische Firma „Universal Design Impex (UDI)“, die wiederum von seinem Subunternehmen „Münchner Trockenbau GmbH“ mit dem Rekrutieren von Arbeitskräften beauftragt worden war.

Laut Suß haben die Männer insgesamt rund 600 Arbeitsstunden erbracht. Am „Berliner Bogen“ haben sie seit Mitte September elf Stunden täglich gebaut. Dafür stünde ihnen ein Nettolohn von rund 35.000 Mark zu. Das von Beckens Firma beauftragte Subunternehmen „Münchner Trockenbau“ habe gestern nach Bekanntwerden der Vorwürfe zugesichert, den Arbeitern ihren Lohn bis Ende der Woche zu überweisen.

Aufgeflogen war das Lohndumping am vorigen Donnerstag. Da erstatteten sechs Bauarbeiter Anzeige bei der Polizei. Laut ihrem Arbeitsvertrag, den sie mit der UDI abgeschlossen hatten, sollten sie den in Deutschland vorgesehenen gesetzlichen Mindestlohn von 19,17 Mark die Stunde erhalten. Als sie den am Donnerstag ausgezahlt bekommen sollten, legte das Unternehmen ihnen zwei verschiedene Quittungen vor: Zum einen über die Auszahlung dieses gesetzlichen Lohnes, zum anderen über den Niedriglohn – den sie dann auch nur bekommen sollten. Als die Arbeiter sich weigerten, flogen sie raus. Mit dem Werkvertrag endete auch ihre Aufenthaltserlaubnis für Hamburg. Die UDI forderte die Männer auf, umgehend das Land zu verlassen.

Stattdessen gingen sie zur Polizei und informierten die Gewerkschaft. Die sorgte für Unterkunft der Männer im Kirchenasyl. Seit Donnerstag sind sie in der „Erlöserkirche“ in Borgfelde untergebracht.

Laut IG Bau-Geschäftsführer Suß wurden insgesamt 16 Männer aus Bulgarien für den „Berliner Bogen“ angeheuert. Diejenigen, die sich nicht an die Gewerkschaft wandten, hätten offenbar die Billiglöhne quittiert. Suß betont, dass ein solcher Umgang mit Mitarbeitern im Baugewerbe kein Einzelfall sei. Er forderte eine Änderung des „dubiosen Systems von unkontrollierbaren Subunternehmerketten“.

Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen