: Kein Urlaub von der Kita
■ Familie soll von 350 Mark mehr Gehalt 250 Mark für Kita-Platz bezahlen
Im Herbst flattern vielen Familien schlechte Nachrichten ins Haus: Bewilligungsbescheide, aus denen hervorgeht, wie viel Geld sie im kommenden Jahr für ihren Kita-Platz zahlen. „Ich bin fast umgefallen, als ich das sah“, erinnert sich Felix Hildebrand. Von den 350 Mark, die der Familienvater künftig zusätzlich im Portemonnaie hat, sollten 250 Mark für Kita-Gebühren abgezogen werden. Statt 445 Mark soll die Sechs-Stunden-Betreuung seiner zwei Kinder auf einmal 690 Mark kosten. Hildebrand: „Damit sind für mich 3000 Mark im Jahr weg. Davon wollte ich unseren Urlaub bezahlen.“
Dabei sind die Hildebrands nicht reich. Er arbeitet ganztags, sie halbtags als Pflegekraft in einem Krankenhaus. Beide Gehälter inklusive Kindergeld, Urlaubs- und Weihnachtsgeld ergeben statt bisher 5350 Mark künftig ein Monatseinkommen von 5700 Mark. Hildebrand: „Miete und Kita abgezogen, bleiben 2400 für uns vier. Bald ziehen wir um, dann haben wir gar keine Luft mehr.“
Der Bescheid wurde zum ersten Mal nicht vom Bezirksamt, sondern vom Arbeitgeber, dem Landesbetrieb Krankenhäuser, direkt errechnet. „Es gab in diesem Jahr viele Beschwerden, weil bei den alten Berechnungen Fehler unterlaufen waren“, berichtet die dortige Sachbearbeiterin Annette Christiansen. Ihre Berechnungen basierten jedoch auf den „rechtlichen Vorgaben“ der Stadt. Damit hat sie vermutlich sogar Recht.
Denn das Problem liegt in der gültigen Beitrags-Tabelle, die der Stadt im Jahr 2000 zusätzliche Mehreinnahmen von 16 Millionen Mark beschert hatten. Sie stammt noch aus den frühen 90er Jahren und verlangt den höheren Einkommen schrittweise mehr Geld ab. Nur endet sie bei 6000 Mark abrupt. Auch wenn Eltern ein Vielfaches verdienen, bleibt der Höchstsatz konstant.
Der Höchstsatz liegt für sechs Stunden bei 600, für acht Stunden bei 775 Mark. Mit jeder Tarifrunde, die oft nicht viel mehr als einen Teuerungsausgleich bedeutet, rü-cken mehr Familien dieser Grenze näher. Da tröstet es nicht, dass für das zweite Kind nur ein Drittel zu zahlen ist.
Es sei versäumt worden, diese Tabelle um die „schleichende Inflation“ zu bereinigen, kritisiert denn auch Matthias Taube vom Elternverein „Familien Power“. Taube fordert daher eine Halbierung der Kita-Beiträge. Das würde die Stadt 50 Millionen Mark kosten. Um immerhin rund fünf Millionen Mark würden Hamburgs Eltern erleichtert, wenn Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) umsetzt, was er zum Amtsantritt versprach: das Kindergeld und auch das Baukindergeld aus der Berechnung herauszunehmen. Ein entsprechender „Prüfauftrag“, so heißt es in der Behörde, würde „mit Hochdruck“ bearbeitet.
Wäre dieser Prüfauftrag schon Gesetz, könnten die Hildebrands ihre 350 Mark behalten. Kaija Kutter
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