: Die Erbmasse hat ihr System
■ Der HSV verliert unglücklich 0:1 in Dortmund, aber Mannschaft und Trainer setzen vielversprechende Akzente
Erbschaften können tückisch sein: Es ist nicht leicht, fremde Fotosammlungen, Kleiderkisten oder Kellerräume zu sortieren und ihren wahren Wert zu erkennen. Fußballtrainer, die überraschend die Verantwortung für schwächelnde Bundesligamannschaften erben, kennen das. Seit acht Spieltagen verwaltet Kurt Jara nun die Erbmasse des Frank Pagelsdorf, und erst jetzt entwickelt er langsam eine Ordnung, die Sinn zu ergeben scheint. Nicht ohne dabei ganz unverhofft Juwele zu entdecken.
Milan Fukal etwa strahlte im Spiel bei Borussia Dortmund in einem Glanz, den man ihm längst nicht mehr zugetraut hatte. Neben einer hervorragenden Defensivleistung kam er wie schon gegen den FC St. Pauli immer wieder vor dem gegnerischen Tor zur Geltung und hätte in Dortmund bei drei guten Gelegenheiten zumindest ein Tor verdient gehabt.
Die Viererkette, am Samstag mit Fukal, Ujfalusi, Maltritz und Hollerbach, ist Jaras neues Lieblingsthema. Mit diesem System wurden die wichtigen Punkte gegen St. Pauli erkämpft und nun erbrachte man beim BVB die vielleicht beste Leistung seit Jaras Antritt. Denn so kompakt wie gegen die Dortmunder Ballvirtuosen stand die Defensive des HSV in den letzten Wochen nie. Das Tor durch Ricken kurz nach der Halbzeit entsprang einem unglücklichen Zufall nach einer Ecke und hätte durch die guten Kontersituationen mehr als wett gemacht werden können. „So viele Torchancen hatten wir noch nie“, freute sich Jara dann auch. Und selbst der defensivschwache Jörg Albertz deutete an, dass er innerhalb des neuen Systems mit seiner außergewöhnlichen Übersicht, seinen Standards und dem wuchtigen Schuss eine echte Bereicherung sein kann - vorausgesetzt, die anderen arbeiten so gut wie in Dortmund.
Denn die gute Zusammenarbeit ist wohl mindestens ebenso wichtig wie die neue Ordnung. „System oder nicht System, immer spielen elf Leute, und die müssen das im Kopf irgendwie hinbekommen“, beschrieb Erik Meijer das Geheimnis der ansteigenden Formkurve. Daniel Theweleit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen