■ LeserbriefschreiberInnen schlagen zurück
: Schlagloch oder Schlagseite?

betr.: „Ökonomie des Schuldgefühls“ von Michael Rutschky taz vom 5. 12. 01

Macht Rutschky bitte endlich zum Leserbriefschreiber! Diese gebildete, spiegelfechtende und sich selbst inszenierende Besserwisserei mag ich nicht mehr gerne lesen. Schlagloch eben. Oder Schlagseite? GERTAS ELISAT, Berlin

Da analysiert er an einem kriegskritischen Leserbrief herum, mit dem Ergebnis: Der Schreiber hält die „Regungen des Herzens“ hoch, weil er Schuldgefühle vermeiden will. Dabei liegt es doch viel näher, dass in dem Leserbrief mit den „Regungen des Herzens“ der Abscheu vor dem Umbringen völlig fremder Leute gemeint ist, eine Emotion, die Rutschky nicht so leicht abtun könnte.

Es ist nicht nur schade, sondern eine Schande: Das dialogische, diskursive, argumentierende Moment, das Rutschkys Polemiken oft ausgezeichnet hat, ist verloren gegangen. Wo es um Kriegsgegner geht, herrscht bei ihm mittlerweile der taube und betäubende Monolog – oder anders ausgedrückt: die Denunziation. Hoffentlich findet Rutschky bald ein anderes Thema.

FRANK SEISS, Bayreuth

Herr Rutschky spricht mir aus der Seele. Endlich jemand, der die „erfreulichen Ergebnisse“ US-amerikanischer Bombardements angemessen würdigt. Bravo! (Spott!) Herr Rutschky, der offensichtlich Brille braucht, um so etwas wie Gesicht zu produzieren (Hohn!), kämpft tapfer gegen Leserbriefschreiber. Herr Rutschky weiß, dass sie nicht ein einfaches demokratisches Recht wahrnehmen, sondern selber Herr Rutschky sein wollen (Hohn und Spott!). HARTMUT BERNECKER, Bietigheim

Herr Rutschky verspottet eine halbe Seite lang die „höhere Einsicht des (Spiegel-Leserbrief-Autors) Reischmann in die Unlösbarkeit der Probleme (des Weltzustandes)“.

Ich kann dem Reischmann-Zitat „Dieser Krieg ist so unselig wie alle anderen auch . . .“ nicht mehr und nicht weniger abgewinnen, als dass Herr Reischmann den Krieg ablehnt und seine Gründe dafür nennt, wie auch immer er es auszudrücken geneigt ist. Diese Ausdrucksweise soll nun allerdings in Rutschkys Augen Reischmanns Neid auf die Verfasser so genannter Leitartikel widerspiegeln (übrigens sogar im doppelten Wortsinne – kleines Quiz an die taz-Leser, die so etwas mögen; Tipp: gemeint ist nicht etwa ein Austausch von Augen gegen Neid – das wäre allerdings die Antwort auf eine Quizfrage an Herrn Rutschky). In seine Arroganzsuppe rührt Rutschky sodann „alle anderen Leserbriefschreiber“ ein.

Weil die Meinungsseite so lang ist, wirft Rutschky auch die Kritiker der Rechtschreibreform in den aufgesetzten Topf. Was das mit einer Äußerung zum derzeitigen Krieg zu tun hat, weiß Rutschky selber nicht, scheint das wiederum immerhin zu bemerken und klärt uns über den Unterschied auf, mit so bereichernden Worten wie „Distinktionsspiel“. Damit ist die Seite beinahe gefüllt. Sie endet mit einer psychoanalytischen Übertragung des Titelschlagwortes „Schuldgefühl“ auf Reischmann.

Irgendwie ist Rutschky zu bedauern: Wenn ich solchen Müll verfasste – und noch Geld dafür bekäme–, dann hätte ich mich wohl mit ökonomischen (und ökologischen angesichts der Papierverschwendung) Schuldgefühlen auseinander zu setzen.

SÖNKE MAUS, Göhl

Nachdem ich soeben einen verächtlichen Leserbrief an den Spiegel verfasst habe, möchte ich nun versuchen, mich mit ein paar Anmerkungen zur schonungslosen Analyse des Herrn Rutschky zum Höhepunkt zu höhnen.

Ich geb’s ja zu, moralisch eitel bin ich bis in die Haarspitzen, und das Sonnen in meiner „Schuldgefühlslosigkeit“ bereitet mir höchste Wonnen. Die intellektuelle Fähigkeit des Argumentierens, auch das hat der Experte für deutschen Antiamerikanismus richtig erkannt, geht einem notorischen Leserbriefschreiber und Möchtegern-Leitartikler wie mir völlig ab. Es bereitet mir große Lust, die Ohnmacht der Schwachen und Geknechteten dieser Welt zu zelebrieren – wie das nun mal die deutschen Reisch- und Tünnermänner gern tun.

Nur in einem irrt Herr Rutschky, was mich und meinesgleichen betrifft, gewaltig. Nicht immer strafen wir jene, denen der „Zugang zur höheren Einsicht“ fehlt, mit Verachtung. Rutschkys Erguss einfach ignorieren? O nein, so viel Stuss darf nicht ohne Antwort bleiben! UWE TÜNNERMANN, Lemgo

Herr Rutschky hat die Liste seiner Gegner, gegen die er seit Jahren mit geradezu missionarischem Eifer anschreibt, um eine Gruppe von Menschen erweitert, nämlich die Leserbriefschreiber. Sie gehören in eine Reihe mit den Mitgliedern aller wie immer gearteten Bewegungen, sei es die Anti-Atom-Bewegung, die Friedensbewegung oder die globalisierungskritische Bewegung.

Herr Rutschky spricht seine Leser gern mit „liebe Kinder“ an. Denn Kritiker, Protestler, Bewegungsmenschen sind seiner Ansicht nach über das Stadium des Kindes nicht hinausgekommen, also nicht erwachsen geworden. Es ergeht also folgende, etwas merkwürdige Botschaft an die taz-Leser: Wer den herrschenden Autoritäten (zum Beispiel Bush), den irgendwie etablierten Institutionen (zum Beispiel WTO), den gegebenen Zuständen (zum Beispiel Armut in der Welt) innerlich nicht zustimmen kann, der hat psychische Probleme und sollte vielleicht zum Psychologen gehen.

Als taz-Leser kommt man hier doch ins Grübeln. Hat Herr Rutschky nun Zugang zu höherer Einsicht oder empfindet er den kritischen Bürger deshalb als Störenfried, weil er den Frieden stört, den Herr Rutschky und seinesgleichen mit dem Lauf der Welt geschlossen haben? HANS BISCHLAGER, Obernbreit

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.