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Milch und Wodka

Von der Kellertreppe ins Bett: Die Geschichte einer richtig guten Freundschaft

Plötzlich war ich in dieser fremden Stadt. Ich lief herum, hatte Hunger und keinen Schlafplatz. Es regnete, denn es war genau diese fremde Stadt, in der es immer regnete. Ich kam schließlich an ein Haus, dessen Eingangstür einen Spalt breit offen stand. Ich ging hinein, legte mich vor die Kellertür und schlief ein.

Am nächsten Tag erkundete ich das Haus – nirgends fand ich was zum Essen! Als ich im zweiten Stock saß, kam eine junge Frau aus ihrer Wohnung. Sie erblickte mich und sprach in warmen Worten auf mich ein. Dann ging sie zurück, kam mit einem Schälchen Milch wieder heraus und stellte es vor mich hin. Dankbar schlabberte ich die Milch. Als ich später wieder Richtung Keller lief, entdeckte ich, dass die Kellertür einen Spalt breit offen stand. Ich ging hinein und es war viel wärmer als im Treppenhaus. Am nächsten Morgen ging ich wieder hoch und erneut stand ein Schälchen Milch vor der Wohnungstür der jungen Frau. Diesmal war ein ordentlicher Schuss Wodka drin, gegen die Kälte. Dankbar schlabberte ich das Mischgetränk. Jede Nacht schlief ich nun im Keller und jeden Tag stand Milch mit Wodka für mich bereit. Nach einer Woche bemerkte ich, dass die Wohnungstür der jungen Frau einen Spalt breit offen stand. Ich schlich hinein und fand ein Schälchen Wodka in der Diele. Dankbar schlabberte ich den Wodka. Dann marschierte ich ins Wohnzimmer, legte mich aufs Sofa und schlief ein. Als die junge Frau von der Arbeit nach Hause kam, sprach sie wieder in warmen Worten auf mich ein. Das ging viele Wochen so und ich wurde dicker und betrunkener.

Eines Nachts sah ich, dass die Schlafzimmertür einen Spalt breit offen stand. Im Bett lag die junge Frau und schnarchte. Ich kletterte aufs Bett und kuschelte mich zwischen ihre Füße. Das schien ihr zu gefallen und von nun bewachte ich jede Nacht ihre türkis lackierten Zehennägel. In einer Nacht, in der es besonders kalt war, kroch ich unter der Decke höher und spürte, dass ihre Muschi einen Spalt breit offen stand. Dankbar schlabberte ich daran und sie sprach in warmen Worten auf mich ein. Am nächsten Morgen durfte ich mit am Frühstückstisch sitzen. Die junge Frau zeigte mir, wo der Wodka stand, und händigte mir, bevor sie ging, die Zweitschlüssel aus. Ich fand, dass sich meine Situation dramatisch verbessert hatte.

ULI HANNEMANN

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