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Musik für Fans

Die Suche geht nach den noch freien Sounds, jedoch ohne die großen Freiheitsgesten: Das international besetzte Livequartett improvisiert heute Abend im Mudd Club in Mitte

Die Reihenfolge ist wichtig: Bei den beigelegten biografischen Notizen zu einer Platte der Extended Versions ließ Christof Kurzmann für sich vorneweg „Fan“ promenieren. Dann erst folgte in der Auflistung des österreichischen Musikers, was man sonst so macht, wenn man sich in eine Musik vernarrt hat, die nicht marktgerecht verabreicht wird. So randständige Sachen wie avancierter Rock oder die Experimente der Improvisatoren werden im Geschäft meist ignoriert und sie tragen nicht einmal mehr den Hipness-Wimpel ehrenhalber. Das war einmal. Den kurzen Sommer lang, den John Zorn durchs Feuilleton tanzen durfte.

Wenn es an der Unterstützung fehlt, muss man als Fan eben alles selber machen. Der ganze Do-it-yourself-Baukasten: Die richtigen Konzerte organisieren und sie am besten gleich journalistisch begleiten. Kontakte pflegen. Nebenher spielen, so viel man kann. Mit allen anderern Fan-Musikern, die man so auf einer Bühne zu Greifen bekommt. Das alles hat Christof Kurzmann gemacht. Schiere Notwendigkeit ist es auch, dass in dieser Szene fast jeder Musiker sein eigenes Plattenlabel als Visitenkarte betreibt. Kurzmanns seines nennt sich Charhizma. In weltweiten Netzwerken wird miteinander kommuniziert. So lassen sich selbst mit Minoritätenmusik wenigstens ein paar verkaufte Einheiten zusammenkleckern.

Dass Christof Kurzmann demnächst eine Platte mit Robert Wyatt als Gast veröffentlichen kann, liegt aber daran, dass ihm Anfang der Neunziger mit den Extended Versions eine liebevolle Annäherung an die Musik des britischen Songpoeten gelang. Diese Behutsamkeit hört man auch in Kurzmanns aktuellem Projekt. Selbst wenn er bei der Zusammenarbeit mit dem dissidenten Jazzer Werner Dafeldecker, Kevin Dumm aus der Chicagoer Impro-Szene und dem französischen Musique-Concrète-Spezialisten Jerome Noetinger ein völlig anderes Terrain betritt.

Beim Livequartett sind Songstrukturen bestenfalls noch im Rundlauf der Loops zu erahnen. Nur Partikel von einer Melodie. Ins Leere gedreht. Ansonsten hört man ein Pochen und Schaben. Vorsichtig werden Klänge gegeneinander gelehnt und auf ihre Tragfähigkeit geprüft. Knusperknäuschen-Elektronik. Rauschen. Brummen. Manche Clics mag man bei bei den besseren Techno-Acts abgelauscht haben. Hier aber geschieht alles im Raum der freien Improvisation. Nicht mit der auftrumpfenden Freiheitsgeste, mit der der Free Jazz Ende der Sechziger noch die aus Harmonie, Melodie und Rhythmus gebauten Barrikaden niederrennen wollte. Sondern als eine sonische Erfahrung, wie sie der famose Impro-Zirkel AMM gleichfalls in den Sechzigern erkundete. Solche Musik kann nicht altern.

Das liegt auch an den Regeln. Oder besser: ihrer Abwesenheit. Hier wird nicht mehr Bedeutung zertrümmert. Hier werden Klänge ausprobiert, bevor sie sich mit Bedeutung angereichert haben. Gewissermaßen vormusikalische Erkundungen. Eine Soundsuche abseits aller zu Genres geronnenen musikalischen Klischees: kein Ausfallschritt des Rock, kein lässiger Swing des Jazz. Nur Klang. Da kann man nicht unbedingt mitsummen. Manchmal sollten sich die Ohren dabei sogar ein wenig anstrengen. Was keineswegs heißt, dass diese Art Musizieren nicht teuflisch unterhaltsam sein kann.

THOMAS MAUCH

Livequartett heute um 21 Uhr im Mudd Club, Große Hamburger Straße 17

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