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London: Gold am Fuß

Der ganz persönliche Schuh! Exklusive Londoner Schuhmacher passen noch heute den maßgeschneiderten Schuh dem Kunden an – zu aristokratischen Preisen. Überhaupt sehen manche London als die „heimliche Welthauptstadt der Schuhmode“

„90 Prozent der Kunden sind Männer, weil sie weniger nach der Mode gehen“

von WILFRIED URBE

Treten sie in die Fußstapfen von Groucho Marx, Frank Sinatra oder King Edward dem Fünften! Zu schwierig? Möglicherweise. Kostspielig? Auf jeden Fall. Streift man durch die noblen Einkaufsstraßen des Londoner Viertels St. James, sollte man wissen, wo der legendäre Schuhladen John Lobb liegt, der die anfangs genannten Berühmtheiten zu seinen Kunden zählte. Denn zufällig werden Touristen kaum auf einen der berühmtesten Schuhmacher stoßen. Unspektakulär, aber mit edler Schlichtheit stehen in zwei kleinen Schaufenstern Stiefel und Schuhe. Darüber prangt das Wappen der englischen Königsfamilie – ein Zeichen für die blaublütige Kundschaft.

„Wir haben kein Erfolgsrezept außer dass wir unsere Schuhe von Hand herstellen, auf traditionelle Weise, daran hat sich seit 1849, als mein Urgroßvater das Geschäft gründete, nichts geändert“, sagt John Lobb.

Die Preise für die Edelschuhe sind allerdings zeitgemäß horrend: 1.850 englische Pfund, umgerechnet etwa 5.500 Mark, kostet der Spaß – für den Einstieg. Bis zu 24.000 Mark zahlen die gut betuchten Kunden, darunter viele hochrangige Geschäftsleute, für das maßangefertigte Schuhwerk. Von der Auftragsbestellung bis zur Auslieferung kann bis zu ein halbes Jahr vergehen. Rund 80 Prozent der Produktion geht ins Ausland.

Lobb erzählt von den Anfängen, als sich die Schuhmacher im Londoner West End in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts harte Konkurrenzkämpfe lieferten. Sein Urgroßvater ging daraus gestärkt hervor. Und das Ergebnis der Schusterkämpfe verleiht London ein weiteres Attribut der Einzigartigkeit: Nirgendwo sonst bekommt man Maßschuhe in dieser Qualität.

Neben Lobb gibt es noch eine Hand voll anderer Geschäfte, die ähnliche Leistungen bieten. „90 Prozent der Kunden sind Männer, weil sie weniger nach der Mode gehen“, sagt John Di Dio von Foster & Son. Auch Bundeskanzler Kohl und viele Minister hätten sich hier schon Schuhe machen lassen. „Wir haben viele verschiedene Kunden“, erzählt Di Dio, „nicht nur Banker, Politiker, Börsenmanager, sondern auch normalbegüterte Menschen, beispielsweise solche, die Maßanfertigungen aus gesundheitlichen Gründen brauchen.“ Foster & Son stellt ungefähr 250 Paar Schuhe im Jahr her. Ab umgerechnet 4.000 Mark ist man als Käufer dabei. Budapester und Oxford sind die gängigen Stile, 25 bis 40 Jahre halten die Anfertigungen. Reparaturen sind im Preis inbegriffen. Aber Schuhmode in London ist nicht nur für die Bentley-Fahrer-Fraktion ein Muss. Die Metropole sei auch die heimliche Welthauptstadt der Schuhmode, so zumindest die Sicht vieler Outfit-Experten. „Das liegt an der kreativen Londoner Atmosphäre“, meint David Bigg-Wither. Er ist Geschäftsführer von „Jeffery-West“ und ein Nachbar der altehrwürdigen Schuhmacher. Allerdings bekommt man bei ihm ausgefallenere und modische Schuhe. Der „besondere Geschmack“ soll bedient werden. „Wir richten uns nicht nach Trends, sondern machen, was wir wollen“, erklärt Bigg-Wither. Ob flotte Anzugschuhe, Lässiges für den Alltag oder spitze Stiefeletten, die zurzeit für Männer und Frauen in London wieder angesagt sind – Individualisten und Modebewusste kommen hier auf ihre Kosten. In einem gleicht „Jeffery West“ allerdings John Lobb: Service ist das Wichtigste. Der Kunde darf rauchen, sich auf einem plüschigen Sofa niederlassen und mit viel Zeit die Ware aussuchen. „Wir würden unseren Kunden niemals etwas verkaufen, was nicht zu ihnen passt.“

Ob das wahr ist, bleibt fraglich. Die Auswahl jedenfalls ist groß genug und ab 100 Pfund auch vergleichsweise günstig. Wem das immer noch zu teuer ist, der kann zumindest den Schuhen, die er gerade trägt, neuen Glanz verleihen: Für zweieinhalb Pfund polieren die zahlreichen Profi-Schuhputzer in den Geschäftspassagen von St. James innerhalb weniger Minuten selbst das älteste Leder wieder auf.

Einen Überblick über die Londoner Schuhläden gibt es im Internet: www.londondudes.co.uk/h/shoes.htm

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