Hassgeliebtes Statussymbol

„Il Foglio“ denkt rechts, wird auch links gelesen – und gehört Frau Berlusconi, weil ihr Mann zu viele Sender hat

ROM taz ■ Il Foglio heißt das Blatt ganz einfach: eben „Das Blatt“. Und genauso spröde wie der Titel ist die grafische Aufmachung; Il Foglio präsentiert sich, als lebten wir noch im 19. Jahrhundert. Bis zu acht Seiten Bleiwüste, sechsspaltig eng bedruckt, kein einziges Foto, höchstens mal eine Mini-Karikatur. Die Aufmachung signalisiert es schon – das ist kein Blatt für Hinz und Kunz. Und diese Botschaft ist in Rom und Mailand parteiübergreifend angekommen: Wer immer wichtig ist oder zu sein meint, klemmt sich gern gut sichtbar den Foglio unter den Arm.

Selbst linke Politiker tun da mit; das Berlusconi-nahe Organ gilt auch in ihren Kreisen als Statussymbol, dem sie in Hassliebe verbunden sind. Schließlich heißt der Chefredakteur Giuliano Ferrara; der Exkommunist weiß nicht nur ebenso wüst wie witzig zu polemisieren, er kennt auch die Stellen, an denen die Genossen von einst verwundbar sind. 1994 diente Ferrara seinem Chef Berlusconi als Minister, dann nach dem Scheitern der Rechtsregierung als Berater. Seinen wahren Traum aber realisierte er 1996 mit dem Foglio: Tag für Tag kann er nun den Vordenker des Rechtsblocks geben.

Berlusconi selbst kam als Verleger nicht in Frage. Der Besitz von drei nationalen Fernsehsendern ist nach italienischem Gesetz mit der Kontrolle von Tageszeitungen unvereinbar. Für diese Fälle hat man Familie. Schon 1989 hatte Berlusconi-Bruder Paolo antreten müssen, um formal die Tageszeitung Il Giornale zu übernehmen. 1996 dann war die Berlusconi-Gattin Veronica Lario an der Reihe. Sie darf sich beim Foglio mit dem Titel „Mehrheitsaktionärin“ schmücken, ohne dass in Italien je Missverständnisse über Ferraras wahren Chef aufgekommen wären. Das ist für den fettleibigen „direttore“, der seine Leitartikel mit einem stilisierten Elephanten signiert, kein Problem. Denn aus ihrer parteiischen Haltung macht die Zeitung kein Hehl – und doch schafft es Ferrara, anders als die Kollegen vom Giornale, nicht einfach als Berlusconi-Knecht zu erscheinen. Auch seinem Boss sagt er gelegentlich die Meinung; zudem glänzt seine schmale Postille immer wieder mit Insider-Informationen aus allen politischen Lagern genauso wie aus Roms Ministerien.

Da verzeihen die Leser gern, dass es weder Sport noch „Vermischte Nachrichten“ gibt. Wenn Klatsch geboten wird, dann ist es Klatsch aus den Palazzi der Macht in Rom – und dort allein verkauft Il Foglio 5.000 der täglich landesweit 20.000 Exemplare. MICHAEL BRAUN