piwik no script img

Die britische Komponistin Sally Beamish lässt Steine klingen

Wie muss man sich den Klang der Sonne auf einem Stein vorstellen? So wie in im Werk für Saxophon und Orchester von Sally Beamish „The Imagined Sound of the Sun on Stone, das im Glockensaal zu hören war.

Dieser Titel, der sich auf die Stein eines 2000 Jahre alten Grabes bezieht, stammt vom Saxophon spielenden Sohn der 1956 geborenen Komponistin. Überhaupt definiert sich die in Schottland lebende Engländerin stark über ihre Existenz als Mutter. Denn ursprünglich war sie Bratscherin, u.a. in der berühmten „Academy of St. Martin-in-the-fields“, was für sie bedeutete, acht Monate im Jahr unterwegs zu sein. „Nun kann ich abends arbeiten und bin immer zu Hause, seit zwei Jahren sogar in einem kleinen Gartenhaus“, erzählt sie im Interview anlässlich ihres Aufenthaltes in Bremen. Ihre Kinder bringen in ihrem „kleinen schmutzigen Haus“ Inspiration. „So habe ich mein erstes großes Orchesterwerk während meiner ersten Schwangerschaft geschrieben.“

Als einen immensen Vorteil betrachtet sie ihre Professionalität als Instrumentalistin: „Ich habe alles vom Spielen aus gelernt. Das ist ein guter Weg, da ich finde, dass man die Musiker unbedingt verstehen muss.So wie sie den Tönen von innen nachgehorcht hat,beurteilt sie die Wirkung der Musik “.

Da ich aus persönlichen Gründen beim Konzert der Kammerphilharmonie in der Pause gehen musste, kann ich die Klangwelt der Sally Beamish nur auf der Grundlage von CDs beschreiben: neoromantisch, voller Melodie, von magischer Schönheit. Die Musik von Benjamin Britten, den man sicher als den größten englischen Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnen darf, gab einen aufschlussreichen Kontrast zu den Klangmagien Beamishs: „Die Variationen über ein Thema von Frank Bridge“ bezeugen den 23jährigen Komponisten bereits als einen perfekten Eklektiker. Wunderbar arbeitete der englische Dirigent Paul Daniel die leicht ironischen Komponenten einer „Aria Italiana“, eines Walzers, eines Trauermarsches aus.

Paul Daniels ebenso überzeugende wie originelle Schlagtechnik trug zur Wirkung der selten gespielten Sinfonie Nr. 60 in C-Dur von Joseph Haydn bei, die der Komponist später als „alten Schmarn“ bezeichnet hat. Nichts da, die Sinfonie ist eine durch und durch sprudelnde Theatermusik zum Schauspiel „Le Distrait“ von Jean Francois Regnard. Die aufregenden Kontraste und ständigen Überraschungen in diesem Werk bis hin zu dem Stimmen einer Seite auf offener Bühne kostete Daniel voll aus: mal zittert seine Hand für jede kleine Note eines Auftaktes, mal erlaubt er sich, einfach dazustehen und die hinreißend spielenden Kammerphilharmoniker in Ruhe zu lassen, mal faltet er die Hände und blickt erwartungsvoll in die Leuchtkörper des Glockenhimmels, mal ist er auch ein bisschen neugierig, wie er denn so wirkt: die Blicke in die erste Reihe. Unnachahmlich jedenfalls wieder der Klangreichtum

Ute Schalz-Laurenze

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen