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Orchester soll keine „Dienststelle“mehr sein

■ Kompromiss für das Bremer Staatsorchester: Es gibt nur mehr Geld, wenn die MusikerInnen einer modernen GmbH-Struktur zustimmen und die Philharmonische Gesellschaft seine Macht mit dem Theater teilt

Noch ist nichts unterschrieben, aber eigentlich sind sich alle Beteiligten einig geworden: Alles soll anders werden beim Bremer „Philharmonischen Staatsorchester“. Das Orchester soll in Form einer GmbH geführt werden und eine professionelle Geschäftsführung bekommen.

Im Winter 1999 hatte das Orchester selbst noch in mühevoller Arbeit einen Strukturplan für einen staatlichen „Eigenbetrieb“ entwickelt, nach Amtsantritt von Kultursenator Bernt Schulte wurde allerdings die Umwandlung in eine GmbH betrieben. „Wir haben einen Bewusstseinswandel durchgemacht – auch gegen den Widerstand unserer Gewerkschaft“, so der Vertreter des Orchester, Personalrat Gregor Daul. Die vier vorgesehenen Gesellschafter der GmbH haben Stillschweigen vereinbart, aber sie scheinen einverstanden mit dem neuen Modell – auch die Philharmonische Gesellschaft, die nur „mit Zähneknirschen“ zustimme, wie Barbara Grobien vom Vorstand erklärt.

„Dass so ein Weg mit Problemen gepflastert ist, das ist doch klar. Ich finde die jetzige Lösung eine Traumkonstellation“, freut sich Elisabeth Motschmann, zuständige Kultur-Staatsrätin. Und Theater-Intendant Klaus Pierwoß, der zuletzt die Beteiligung des Theaters an der GmbH durchgesetzt hat, ist zufrieden „nach diesem langen Wirbel.“ Pierwoß sieht den Fortschritt verständlicherweise in den letzten Wochen: „Wenn man Kulturmetropole sein will, kann man nicht wie eine Schnecke durch die Lüneburger Heide kriechen. Da hat der neue Senator Kuno Böse doch die richtige Durchsetzungskraft“.

Rückblick: Seit Jahren krebsen die Bremer PhilharmonikerInnen mit einer Orchestergröße von 73 Stellen herum, die Sollstärke eines A-Orchesters – und das will das Bremische sein – liegt bei 99 Berufsmusikern. Als die Gutachter Rademacher&Partner vorschlugen, das Orcherster mit „mehr Geld“ in eine innovative GmbH-Struktur zu locken, bei der 49 Prozent der Anteile und damit des Risikos das Orchester selbst tragen sollte – mit 51 Prozent sollte die unternehmerische Verantwortung weiter bei der Philharmonischen Gesellschaft liegen – da winkte das Orchester noch ab: „Wir werden auf der Beteiligung des Staates bestehen“, protestierte damals Florian Baumann als Vorstand des aufgebrachten Orchesters. Er befürchtete ein „Abschieben“ des Orchesters aus der direkten staatlichen Verantwortung.

Volker Heller von der staatlichen „kultur-marketing bremen“ (kmb) legte dann im Sommer dieses Jahres ein neues Beteiligungskonzept vor, dass einen Kompromiss darstellen sollte: Je 37 Prozent sollten Orchester und Philharmonische Gesellschaft halten, immer 26 Prozent der Anteile sollte das Kulturressort behalten. Das war aber mit dem Bremer Theater nicht abgesprochen, das der „Hauptabnehmer“ der Orchesterleistungen ist: Das Orchester spielt 60 Prozent seiner „Dienste“ in der Oper. In einer sonntäglichen Mammutsitzung von zwölf Stunden wurde das dritte, nun von allen akzeptierte Modell ausgehandelt: Je 26 Prozent der Anteile halten danach Orchester, Philharmonische Gesellschaft und Senat, 22 Prozent Theater.

Wenn die Musiker ihre „Überführung“ in eine GmbH zustimmen, winken ihnen zu den bisher ca. 10 Millionen Mark jährlicher Unterstützung stattliche 1,6 Millionen Mark mehr. Damit könnten dann insgesamt 87 Stellen finanziert werden – dies wiederum die Mindestbesetzung, die der gefundene neue Generalmusikdirektor Lawrence Renés gefordert hat. Die Stellen sind ausgeschrieben, im Januar will er seinen Vertrag unterschreiben. Allerdings kommen die zusätzlichen 1,6 Millionen Mark aus dem „Umbautopf“, rein theoretisch bzw. haushaltsrechtlich steht das Geld nur in den Jahren 2002 und 2003 zur Verfügung und müßte später sogar vom Kulturressort einmal zurückbezahlt werden an den Finanzsenator. Aber darum sorgen sich die Kultur-Politiker derzeit wenig.

Das Entscheidende der neuen GmbH-Struktur ist aber nicht die erhöhte Zahl der Musiker. „Über den Wirtschaftsplan muss noch verhandelt werden, denn natürlich reichen 1,6 Millionen nicht aus, um zusätzlich ein professionelles Orchesterbüro aufzubauen“, sagt Gregor Daul. Die wichtigste neue Position wird hier ein Geschäftsführer sein – bisher wurde das Orchester ehrenamtlich gemanagt. Die „Philharmonische Gesellschaft“ mit ihren ehrenamtlich Engagierten hat über hundert Jahre alles – von der Akquise über die Druckwerke bis zu den Programmen und Engagements – „selbst“ gemacht.

Zusammen mit der Deutschen Orchestervereinigung sind die arbeitsrechtlichen Bedigungen erarbeitet worden: Das Orchester bleibt von der Bezahlung her tarifrechtlich „A“, „aber diese Bezeichnung stirbt aus“, so Gerald Mertens, Geschäftsführer und Jurist der Deutschen Orchestervereinigung. Derzeit werden neue MusikerInnen noch nach dem alten Tarifvertrag eingestellt, der gilt noch ein Jahr, dann müssen „Absicherungen durch Sondervereinbarungen geleistet werden“, so Mertens.

„Der Pudding erweist sich erst beim Essen“, bleibt auch Theaterintendant Klaus Pierwoß vorsichtig. Noch ist der Vertrag nicht unterschrieben und nicht mit Leben gefüllt, der aus der „nachgeordneten Dienststelle“ Staatsorchester eine moderne Einrichtung macht. Die Deutsche Kammerphilharmonie – selbstverständlich eine „GmbH“ – führt in Bremen seit bald zehn Jahren vor, welche Chancen in einer modernen Organisationsform stecken.

Ute Schalz-Laurenze

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