Flughafen fliegt auf die Nase

■ Verwaltungsgericht wirft der Stadt Bremen „vorsätzlichen Rechtsbruch“ vor. Die Startbahnverlängerung darf nur von der „Beluga“ benutzt werden

20.000 Mark Ordnungsgeld muss Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) künftig für jedes Flugzeug zahlen, das unzulässigerweise auf die 300 Meter lange Startbahn-Verlängerung am Bremer Flughafen rollt. Das Verwaltungsgericht verurteilte die Stadt gestern, jede Benutzung der so genannten „Sonderstartbahn“ zu unterbinden, die den vertraglichen Abmachungen mit den Anwohnern widerspricht.

„Ganz bewusst“, so stellte der Vorsitzende Richter Ingo Kramer gestern entrüstet fest, habe die Stadt im Juni 1999 dem Flugzeugbauer DASA erlaubt, für sechs Flugversuche nicht nur die normale Startbahn des Bremer Flughafens, sondern auch die daran anschließende „Sonderstartbahn“ zu benutzen. Diese wurde 1991 gebaut, um dem Riesen-Transportflugzeug „Beluga“ die Landung in Bremen zu ermöglichen, das Airbus-Flügel nach Toulouse bringt. Vertraglich sicherte die Stadt als Alleingesellschafterin der Flughafen-GmbH den Anwohnern damals zu, dass die verlängerte Beton-Piste nur von der „Beluga“ sowie in Notsituationen benutzt würde. Gegen diese Abmachung, so zeigte sich der Richter gestern überzeugt, hat die Stadt 1999 mit ihrer Erlaubnis verstoßen. Kramer: „Das ist vorsätzlicher Rechtsbruch.“

Den wollte Familie Wähmann nicht hinnehmen. Als im Mai 2000 wiederum ein Flugzeug auf der Sonderpiste hinter ihrem Haus auftauchte – diesmal ein Flieger der Cathay Pacific auf Promo-Tour – , verlangten die Wähmanns von der Stadt eine Erklärung, dass die Sonderrollbahn nicht wieder vertragswidrig genutzt würde. Finanzsenator Perschau, im Senat für die Flughafen-GmbH zuständig, lehnte ab. Wähmann zog vor Gericht.

Verwundert fragte Verwaltungsrichter Kramer den Vertreter der Stadt: „Warum lehnen Sie ab, zu erklären, was Sie selbst vertraglich zugesichert haben?“ Die Antwort kam prompt: „Damit würden wir ja zugeben, dass wir laufend gegen den Vertrag verstoßen.“ Was den zweiten Klagegegenstand anging, wies Manfred Ernst, Geschäftsführer der zum Prozess beigeladenen Flughafen-GmbH, alle Anschuldigungen zurück. Auf das Wendemanöver der Cathay-Pacific-Maschine auf der Sonderpiste habe der Flughafen keinen Einfluss gehabt: „Für die Rollbahn ist die Flugsicherung zuständig.“ Deshalb könne man der Flughafen-GmbH hier auch keine Vertragsverletzung vorwerfen. Eine Ansicht, die Dettmar Dencker von der Luftaufsichtsbehörde unterstützte. Er selbst habe den Jumbo angewiesen, auf die Sonderstartbahn zu fahren und sich dabei auf das Luftverkehrsrecht gestützt. Dieses gestatte die Benutzung der verlängerten Piste, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Worin diese Gefahr bestanden hätte, konnte gestern allerdings niemand erklären.

Die Kläger befürchten, dass die Benutzung der Sonderstartbahn Schritt für Schritt zum Regelfall wird. Dem wollen sie einen Riegel vorschieben. „Wenn hier eine Gefährdung des Flugverkehrs bestanden hätte, dann hätte ich nie etwas gesagt“, betonte Claudia Wähmann. Da dies aber nachweislich nicht der Fall gewesen sei, müsse die Stadt jetzt gezwungen werden, die vertragswidrige Benutzung der verlängerten Startbahn zu unterlassen. Ein letztes Angebot des Richters, doch noch eine Unterlassungserklärung abzugeben, lehnte der Prozessbevollmächtigte der Stadt ab – auch nach telefonischer Rücksprache beim Finanzressort. Sowohl das Land als auch die Flughafen-GmbH stellten sich mit eingenen Anträgen hinter die Stadt und machten damit deutlich, dass sie die rechtswidrige Praxis gut heißen.

Richter Kramer kümmerte das nicht. Das Gericht verurteilte die Stadt, keine rechtswidrige Sondergenehmigung mehr zu erteilen. „Nun können wir beruhigt Weihnachten feiern“, ist Klägerin Claudia Wähmann nach dem Urteil erleichtert. Armin Simon