: Heiliges TV
Nein, man soll ja nicht gemein sein. Soll auch mächtig was übrig haben für die Einsamen und Benachteiligten dieser Welt. Soll ihnen vor allem am Heiligabend eine Heimstatt bieten, möglichst im Familienschosse, auf dass sie das Sentimental-Zeitfenster nicht melancholisch verbringen müssen.
Soweit, so edelmütig. Kritisch wird's nun aber, wenn einzelne Familienmitglieder ungebremst ihrem Sozialwahn frönen und auch solche alten Tanten zum Familienfeste laden, die im Heimatorte wahrlich genug anderweitige Ansprache hätten. Und deren Interessen sich nun mal ganz und gar nicht mit den unseren decken. Und die darob den Zeitraum von 22. bis zum 28. Dezember derart dominieren, dass wenig Platz bleibt für Heimeligkeit. So geschehen vor Jahren im Hause S., als eine durchaus muntere, aber leider nun mal schwer fernsehsüchtige Großtante dort weilte, die – ausgenommen die Mahlzeiten und die Nächte – die gesamte Zeit vorm einzigen Fernseher im einzigen gemütlichen Wohnzimmer verbrachte, ohne dass irgendwer dem Treiben Einhalt geboten hätte. Gar lustig war, was sie schaute, von Karl Moik über mehrere Nachmittags-Soaps bis zum Warten aufs Christkind, dem nun auch die jüngsten schon längst entwachsen waren.
Wie's endete? Nun ja. Das schwerhörige Tantchen auch am 24. Dezember vorm auf Volllautstärke gedrehten Fernseher. Der Rest der Familie samt Geschenken zusammengequetscht im Gästezimmer, wo zwar die Heizung ausgefallen war, aber dafür wenigstens reichlich Platz auf Tantchens provisorischem Couch-Bett. ps
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen