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Das Spiel der Paradoxe

Von den Glaubensfragen, wenn Dunkelheit einen titanischen Kampf mit Lichtern und Farben kämpftvon NICK IDOKO, Nigeria

It‘s jingle, jingle, twinkle, twinkle, all the way. All the time. Oh! Fenster, Balkone, Dachvorsprünge, Straßen, Bäume. Alles ist überdeckt mit Farbe und Schönheit. Die Welt ist durchflutet mit dem „tin, tin, tan ton tan“ der Melodien, die zu dieser Saison gehören.

Die Stadt schwelgt in den changierenden Farben des Lichtes. Jeder Ort ist elektrifiziert, beleuchtet. Fieberhafte Mobilität; anschwellende und sich ausdehnende menschliche Bewegung. Überall Angespanntheit. Einkaufende und Verkaufende hasten dem sich beschleunigenden Tempo hinterher. Die Luft scheint eine Art Gift zu verbreiten, das die Menschen sich überstürzen lässt. Jeder ist in kollektiver Besessenheit gefangen. Es ist Weihnachtszeit.

In den Gedanken eines Afrikaners in Berlin beschwört Weihnachten unweigerlich ein Nachdenken herauf. Es ist eine Zeit, in der die Dunkelheit einen titanischen Kampf mit Beleuchtung und Farbe kämpft. Ja, die Natur selbst scheint mit einem tendenziösen Spiel der Paradoxe beschäftigt zu sein. Eine Zeit, in der das Leben anhält, Bäume ihre Blätter abwerfen und Gräser welken. Niedergeschlagenheit und Stress wetteifern in diesen Tagen mit Spaßhaftigkeit und Aufgeregtsein.

Advent – die Zeit der Ankunft eines Neugeborenen, Jesus. Er symbolisiert neues Leben, eine Zeit des Glücks und des Beisammenseins. In Europa scheint die Natur sich allerdings selbst einen „plötzlichen Tod“ aufzuerlegen. Dunkelheit senkt sich auf das Land und entrollt einen glitzernden Teppich am Firmament. Die Menschen ziehen sich in sich selbst zurück und zeigen sich nur, wenn es die Gelegenheit verlangt.

Der Afrikaner in Berlin wundert sich unendlich, was das alles bedeuten soll. Vor meinem ersten Weihnachten in dieser Stadt, kurz nachdem ich Nigeria, meine Heimat, verlassen hatte, war ich voller Erwartungen. Ich hoffte auf etwas spirituell sehr Erfüllendes. Immerhin war ich ja jetzt in Europa, sozusagen der Heimat des Christentums, dachte ich bei mir. Zuvor war ich von Kirchenbesuchen bereits ein bisschen ernüchtert. Anstatt gut besuchter Messen offenbarte sich mir ein nahezu leeres Kirchenschiff mit wenigen Alten und Kindern. Dabei sind diese Kirchenbauten doch architektonische Meisterleistungen. Dennoch, ich freute mich auf mein erstes Weihnachtsfest in Deutschland. Eine Vorfreude gemischt mit Neugier und etwas Sorge.

Als dann diese farbenfrohen Lichterketten schon im November in den Fenstern zu blinken begannen, wunderte ich mich. Was sollten diese frühzeitigen Vorbereitungen? Ich frage mich, warum Menschen, die sich eigentlich von Christus abgewendet haben, so viel Wert auf Weihnachten legen. Ich war mir nicht sicher, ob das nicht Heuchelei sei.

Ich überlegte, ob es umgekehrt von mir nicht fanatisch war, jeden Sonntag in die Kirche zu rennen. War ich am Ende christlicher als die Menschen, die das Christentum in mein Land, auf meinen Kontinent, gebracht hatten? Ich wunderte und wunderte mich. Fast unbemerkt, war ich bereits mitten in eine Glaubenskrise hineingeschlittert.

Je näher mein erstes Weihnachten rückte, desto enthusiastischer wurde ich. Alles war in solch eine Helligkeit und Farbe getaucht. Die Straßendekorationen hatten es mir wirklich angetan. Die gaben mir ein so tolles Gefühl, wie ich es zuvor vor keinem Fest gekannt hatte.

Die Geschäfte waren proppenvoll, die Geschenkartikel wurden so schnell weggekauft, alles war in Aufregung. Dann kam der Weihnachtstag selbst.

Nichts hatte sich wirklich verändert. Die Besucher der Christmette waren nur ein kleines bisschen zahlreicher gewesen. Das war ein Tiefschlag für mich. Ich komme aus Afrika, wo das Christentum dabei ist, sich auszubreiten. Wo Kirchen allerorten wie Pilze aus dem Boden schießen und bei Messen bis unter die Balken gefüllt sind.

Es ist für mich daher eine traurige Ironie des Schicksals, dass das Christentum in seiner Heimat so im Verfall begriffen ist. Und es ist eine böse Überraschung für mich gewesen, dass die Menschen in Europa ihren spirituellen Mantel gegen die Jacke des Atheismus getauscht haben. Dass sie Weihnachten begehen als einen Gehorsam gegenüber der Tradition.

Seitdem habe ich viele Weihnachten in Berlin verlebt. Ich habe gelernt, einige der Widersprüche zu akzeptieren. Ungetrübt ist meine Freude an den Schönheiten der Vorbereitung. Beschlossen habe ich allerdings, dass die Widersprüche meinen Glauben nicht zerrütten werden. Früher nämlich, in Afrika, hatte ich immer geglaubt, Weihnachten habe etwas mit christlichem Glauben zu tun.

Nick Idoko, 42 Jahre alt, lebt seit 1996 in Berlin und studiert Medien- und Politikwissenschaften

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