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: Auf Andys Spuren in New York

Absolut öffentlich

Wahrhol spürt man überall und nirgends. Es gibt kein „Factory“-Museum in New York, und Pittsburgh ist weit weg. Aber es gibt die Andy Warhol Foundation und die Planung für eine umfassende New Yorker Warhol-Retrospektive im Jahr 2003. Es gibt keine sichtbaren Großmonumente wie etwa die öffentlichen Skulpturen Richard Serras oder Jeff Koons’. Und doch verbinden viele mit dem Namen Warhol eine Aura, ein Bündel Geschichten, Bilder, Hunger auf Ruhm, silberne Perücken. Seine psychische Hinterlassenschaft in der Kunstwelt ist komplex, weitreichend, widersprüchlich. Es sind die Spuren des traumatischen Theaters, das sich Factory nannte; es ist eine komische, glimmende Feuerstelle. Der Künstler der Zukunft muss „underground“ sein!

Vielleicht braucht es für ihn ohnehin keine Institutionen, keine Kunst im öffentlichen Raum. Die Idee Warhol 2002 in NYC ist selbst ein öffentlicher Raum: „Andy Wahrhol Silverscreen“ (David Bowie) blinkt uns als Projektionsfläche immer noch entgegen. Im Guten wie im Bösen ist er im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte auch Blueprint dafür geworden, wie zeitgenössische Kunst hier wahrgenommen, wie produziert und wie Ambition in Szene gesetzt wird. Als wäre sein Ego pulverisiert auf New York niedergegangen, toxisch, infizierend, und gleichzeitig in verschiedendste sich nicht unbedingt ähnliche Künstlerentwürfe vorgedrungen. Mich interessiert, dass er auch heute noch Fassungslosigkeit verursacht.

Sichtbar in NYC: Warhols Anwesenheit manifestiert sich nicht in dem einen großen „Act“, sondern in einer unzusammenhängenden, aber stetigen Reihe von Ausstellungen. Am besten visuell aufgeführt war das in der „Shadows“-Präsentation der Dia Art Foundation; oder mit den Glimmerstaub-Schuhbildern in der Gagosian Gallery; es gab frühe Polaroidshots in einer Gruppenausstellung und Marilyn und Elvis zum Verkauf in den Auktionshäusern. Warhol ist fester Bestandteil der Museum-Shops, der Aufdruck von Textilien (Strumpfhosen mit Marilyn-Print) und Teil der schier unverwüstlichen „Absolut“-Wodka-Reklame, die seinem Entwurf folgend eine profane Unendlichkeit zu etablieren scheint. All das vertieft die Unübersichtlichkeit und Messiness, es stellt die ganze Schizophrenie von Produktion und ihrer eigenen Dekonstruktion in lebenden Bildern und toten Objekten dar.

Man findet Warhol in jeder Unterhaltung wieder, wann immer eine Handvoll Künstler irgendwo zusammenkommt. Er ist der Diskursgenerator in Louise Lawlers „Silver-Pillow-Photo“-Installation; er steckt in Elizabeth Peytons sozialen Manierismen (leise sprechen, hübsche Typen um sich sammeln); er spielt in Mariko Moris Maskeraden hinein, in Mark Kostabis Massenfabrikation von Kunst, bis hin zu Jeff Koons und seiner Neubearbeitung der „Appropriation“, auch in seiner neueren „Easy Fun“-Phase. „Easy“ war auch eines der Lieblingswertungsworte Warhols. Alles, was „easy“ war, war auch gut – so wie die Gesichter der von ihm Porträtierten, die er zu „Disco Rothkos“ machte.

Künstler waren/sind/scheinen, wenn sie sich auf Warhol beziehen, vor allem darauf aus, das „richtige Produkt“ zum richtigen Moment zu präsentieren, während es sich bei ihm doch um ständiges Ankündigen, um Spannungsbögen zwischen den Produkten und denen, die nach ihnen verlangten, ging. Zwischen Verschwinden und Ausdrücklichkeit befindet sich ein unordentliches psychosoziales Terrain, verkleidet als Betrieb – erst Factory, später Office genannt –, dessen Struktur immer wieder neu und anders ins Visuelle übersetzt wird. Wie ist es möglich gewesen, auf Mainstream-Ebene so experimentell zu arbeiten? Wie konnte die Unabhängigkeit gewahrt und auftretende Abhängigkeiten innerhalb der künstlerischen Praxis thematisiert bzw. als Material gebraucht werden? Wie hat Warhol es geschafft, die 100-prozentig urbane Künstlerexistenz von heute zu konstruieren – und das Ganze auch noch auszuhalten? Vielleicht lag es an der Arbeit in Kollektiven; vielleicht muss man Warhols „commonisms“ zurück in „communisms“ übersetzen.

JUTTA KOETHER