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Würdeloser Umgang mit Bellini

betr.: „Traumziel: Vorruhestand“, taz vom 3./4. 11. 01

Dass der junge Bellini zu seiner Arbeit ein weniger romantisches Verhältnis als seine Bewunderer hatte und seine Karriere ausschließlich am Geld ausrichtete, ist eine böswillige Unterstellung und durch nichts biografisch belegt. Wer seine in Briefen festgehaltene Begeisterung über die Kompositionsergebnisse und deren Aufnahme durch das Publikum kennt, urteilt anders. Dass er höhere Honorare als alle seine Konkurrenten verlangen konnte, beweist die Tatsache, dass von seinen in zehn Jahren komponierten elf Opern zehn Werke auch heute noch immer wieder auf den Spielplänen der Opernhäuser dieser Welt stehen, während von den Vielschreibern Rossini (39 Opern in 21 Jahren) und Donizetti (71 Opern in 26 Jahren) bestenfalls auch zehn immer wieder zur Aufführung gelangen. Was jedoch nicht als Abwertung der Letztgenannten verstanden werden soll.

Und was die Honorarforderung für seine „Sonnambula“ betraf, hat nicht er die Scala gegen das Carcano ausgespielt. Es waren vielmehr die Theatermagnaten der damaligen Zeit, die so genannten Impresarie, die kaufmännisch miteinander konkurrierten. In diesem Falle kauften reiche Geschäftsleute um den duca Pompeo Litta der Societa Crivelli e Co., der auch Barbaja und Lanari angehörten, die mit Bellini und diversen Sängerinnen und Sängern bestehenden Verträge ab, um deren Auftritte für das Carcano zu sichern. So einfach, wie von Bollmann interpretiert, waren die Geschäfte für die Kompositeure damals nicht. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass es zu der Zeit noch kein gesetzliches Urheberrecht in Italien gab.

Es gibt in der gesamten Literatur auch keinen Hinweis auf die Hypothese, dass Bellini sich nach seinem nächsten Werk – also einer Oper nach „I Puritani“ – hätte zur Ruhe setzen wollen. Nur weil Rossini es nach seinem „Wilhelm Tell“ getan hat, kann das ja wohl nicht als Indiz herangezogen werden.

Die Recherche gipfelt jedoch in der Antwort auf die hypothetische Frage, was der Nachwelt durch den frühen Tod des genialen Musikers wohl entgangen ist. Bei Bollmann lautet sie lakonisch: Nicht viel! Wenn wir uns vor Augen halten, dass Verdi nach 34 Jahren und zehn Opern mit dem „Macbeth“ geendet hätte, und was er uns danach noch für unschätzbare Werke schuf, ist die Antwort von Bollmann bezüglich Bellini blanker Zynismus.

Hätte der Verfasser doch neben Florimo, Weinstock und Rosselli auch die wohl unverfänglichste Studie des Komponisten von Friedrich Lippmann (1969) „Vincenzo Bellini und die italienische opera seria seiner Zeit“ studiert, er hätte dieses genialen Musikers zur Wiederkehr seines 200. Geburtstages würdevoller gedenken können. ERWIN HEIDRICH, Elchingen

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