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Vom Kuba-Boom kalt erwischt

■ El Mundo Latino in Hamburger Neustadt: Ein Gespräch mit Matthias Möbius von Danza y Movimiento

Danza y Movimiento startete Anfang der neunziger Jahre mit dem Import von Salsa-, Son- und Tango-Platten aus Lateinamerika. Ein eigener Laden und erste eigene Plattenveröffentlichungen kamen im Laufe der Zeit dazu, bevor der allgemeine Buena Vista-Kuba-Boom mit anschließender Katerstimmung das Kleinlabel zurückwarf. Ein Gespräch mit Betreiber Matthias Möbius.

taz hamburg: In der Hamburger Salsa- und Tangoszene seid ihr bestens bekannt und Hauslieferant in Sachen lateinamerikanischer Musik. Wie begann die Geschichte von Danza y Movimiento?

Matthias Möbius: Der Name ist früher entstanden als Label und Vertrieb. Ich bin Mitte der achtziger Jahre als Schauspieler nach Ecuador gegangen, um mich im Tanzbereich weiterzubilden. Dort habe ich gemeinsam mit der Tänzerin Lira Mosquera ein Studio für Tanz und Bewegung gegründet und eigene Bühnenproduktionen auf die Beine gestellt. Da entstand der Name Danza y Movimiento, dem ich treu geblieben bin. Zurück in Deutschland, haben wir begonnen, Salsakurse in Hamburg und später auch in Kuba anzubieten. Die Teilnehmer haben uns nach Musik gefragt, und wir haben dann CDs aus Ecuador und Kolumbien mitgebracht. Kontakte zu Labeln wie Fuentes in Kolumbien entstanden, unser erster Mail-Order-Katalog wurde 1993 aufgelegt.

Wie kam es zur ersten eigenen Plattenproduktion unter dem Sig-net Danza y Movimiento?

Die erste CD war eine Lizenzproduktion, ein kolumbianischer Salsa-Sampler, der aus der Zusammenarbeit mit Discos Fuentes entstand. Ich habe mir aus deren Archiv Stücke gepickt, die Rechte angekauft und die CD herausgebracht. Damit hatten wir Erfolg und haben gute Kritiken erhalten, sogar in der El País wurde das Album rezensiert. Das war 1997, und seitdem erhalten wir regelmäßig Demotapes von Künstlern, die bei uns ein Album veröffentlichen möchten. Derzeit sind es vier bis fünf Anfragen pro Woche. In 99 Prozent der Fälle kommt es allerdings nicht zur Zusammenarbeit.

Woran liegt das?

Die Bedingungen, eine CD mit einem neuen Künstler zu produzieren, sind ziemlich hart. Für uns als Label bedeutet das, über Jahre in den Künstler zu investieren. Da muss man schon sehr überzeugt von der Musik sein. Viele Künstler sehen unsere Seite nicht. Sie haben Illusionen davon, wie alles ablaufen sollte, nur weil sie in der Lage sind, zehn Titel zu spielen. Da ist meistens der Punkt erreicht, wo man auseinander geht. In den vergangenen Jahren haben sich einige wenige Projekte herauskristallisiert, die teilweise lange Vorlaufzeiten hatten. Bevor wir Titango herausgebracht haben, sind drei Jahre mit der Vorbereitung verstrichen. Einzelne Projekte produzieren wir komplett, zum Beispiel die CD von Matahambre Son. Andere werden von den Musikern produziert, wie im Fall von Titango.

Und waren die beiden angesprochenen Titel erfolgreich?

Nein, die Verkaufszahlen waren schlecht. Trotzdem halte ich die CDs für gut und werde wieder in-vestieren, wenn ich von Künstlern begeistert bin. Selbst wenn ich damit rechnen muss, die Investitionen nicht wieder herauszubekommen. Natürlich habe ich nichts dagegen, Geld zu verdienen. Aber es geht mir auch um das Vergnügen, mit Künstlern zusammenzuarbeiten.

Tango ist eine zentrale Nische im Programm von Danza y Movimiento. Wie kam es dazu?

Der Tango ist zu mir gekommen – und nicht umgedreht. Es gab eine Nachfrage bei den Tänzern, und wir haben schlechte Erfahrungen mit den Labels vor Ort gemacht. Es kam vor, dass CDs groß angekündigt wurden, die wir dann orderten. Aber schon bei der zweiten Lieferung gab es Probleme. Da kam mir zum ersten Mal die Idee, CDs in Lizenz zu produzieren.

Und wie entstand der Kontakt zu den vier Tangokünstlern, die auf dem Hauslabel erschienen?

Das ist die Essenz der Angebote, die auf meinem Schreibtisch landen. Drei Tango-CDs sind es, die wir selbst produziert haben: Titango, Klaus Johns und Anja Stöhr. Hinzu kommt noch die CD von Blas Rivera, der von vielen Kritikern als Nachfolger von Astor Piazzolla bezeichnet wird, aber seinen Durchbruch noch vor sich hat.

Habt ihr mit der Idee gespielt, auf den Buena Vista-Zug aufzuspringen?

Nein, denn es hat wenig Sinn, mit den Majors zu konkurrieren. Gleichwohl haben wir mit Matahambre Son durchaus ein eigenes Son-Produkt auf dem Markt. Allerdings ist Buena Vista auch das einzige Son-Album, das sich richtig verkauft hat. Bei uns ist die Son-Sparte mit dem Kuba-Boom eingebrochen. Die Majors haben unser Angebot über groß beworbene Compilations rausgedrängt. Das Spektrum ist eher schmaler geworden, und mit unserem Matahambre Son-Album haben wir beim Großhandel schlechte Erfahrungen gemacht. Es passt zwar in die normalen Ständer, war den Herren aber zu hochformatig verpackt. Faktisch werden wir von den großen Ketten boykottiert.

Interview: Knut Henkel

Danza y Movimiento, Neanderstr. 41; Mo–Fr 15–19 Uhr, Sa 11–16 Uhr; www.dym.de

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