■ Urdrüs wahre Kolumne
: Wie einst Lilli Marleen ...

Nicht nur die Bundesbürger mussten sich hierzulande von Mark und Pfennig verabschieden – selbst im Micky-Maus-Universum der Familie Duck in Entenhausen gab es jetzt eine Währungsreform: Taler und Kreuzer sind nicht mehr, und auch in dieser Parallelwelt herrscht ab sofort der Euro: Dass der geldgeile Erpel-Krösus Dagobert gleich in der ersten MM-Ausgabe des Jahres gelobte, seinen euro-bedingt in der Füllhöhe halbierten Bargeldspeicher umgehend wieder auf den alten Mengenstand zu bringen, deucht uns wesentlich realistischer als die Annahme der Donalds dieser Welt, die Karten am Pokertisch des staatsmonopolistischen Kapitalismus könnten neu gemischt und verteilt werden. Womit auch für 2002 das traditionelle Zaubersprüchlein gilt: „Wenns alte Jahr zuende geht – das Neue kommt, schlag zu, Prolet!“

So so! Gleich mehrere größere Schlägereien musste die Polizei zu Silvester in der Bremer Stadthalle beenden. Und wer sich da fragt, wie kömmt denn das, dem sei ins verkalkende Gedächtnis gebracht, dass diese Zustände dort eingerissen sind, seit das sportliche Gefecht der Catch-Gladiatoren vom Zeitgeist der Fischmessen aus dem Seilgeviert der einstigen „Halle für alle“ vertrieben wurde. Wohin soll denn all das aggressive Potenzial verschwinden, das dort von Otto Wanz & Co. über Jahrzehnte zur athletischen Vollreife gebracht wurde und in dieser veredelten Form kollektiv sublimiert werden konnte? Der Fluch, der seitdem über den Hallen liegt, kann nur durch ein Gedächtnisturnier zugunsten des „Harlem Destroyer“ David Cameron aufgehoben werden, der auf dem Betonboden von Halle IV vor Jahr und Tag den Kämpfertod fand! Und so rufe ich die Jugend der Welt, auf dass die Bürgerweide wieder zur Würgerweide werde, alle Jahre wieder ... Bis es dann endlich wieder soweit ist, ignoriere ich alle Dementis der Pressestelle, es habe an Silvester lediglich kleinere Auseinandersetzungen gegeben. Kann gar nicht sein!

Am zweiten Tag des neuen Jahres vor mir am Counter von Burger King: „Zahlense mit D-Mark oder Euro?“ „Ich weiß nicht, muss ich mir erst noch überlegen. Bediense mal erst den nächsten ...“ Wenn solche Skepsis zunimmt – wir könnten glatt das Geldsystem selbst aus den Angeln heben!

Schön, dass die deutsche Wehrmacht ihre Tournee 2002 nach Afghanistan unter Führung des Oldenburger Generals Hubertus von Butler antritt: Dieser Name, er zeugt von historischer Kontinuität und der stetigen Bereitschaft, zu dienen und bedient zu werden. Noch schöner aber, dass die Jungs von der Marine ausgerechnet von Wilhelmshaven aus zum Horn von Afrika schippern, begleitet von den Tränen der Seemannsbräute und Heldenmütter am Kai des Reichskriegshafens. Hier zeigt sich Traditionspflege von ihrer besten Seite, als Gruß an die Völker der Welt: mit den Deutschen darf wieder gerechnet werden, wie einst bei Lilli Marleen, wie einst bei Lilli Marleen! Lale Andersen vom ewigen Reichswunschkonzert liegt ja gerade mal ein paar Seemeilen westlich auf dem wüstensandigen Friedhof von Norderney begraben.

Als „coole Würstchen“ kennzeichnet die Bremer taz endlich mal jene juvenilen Arschgesichter mit Baseball-Kappe, die ihre stereotypen Kritzeleien überall im öffentlichen Raum als wohlfeile Duftmarke hinterlassen. Jawoll! Schluss mit dem sozialpädagogisierenden Triefsinn, wonach es sich bei den „Tags“ und „Pics“ um kreative Versuche handelt, die Grauzone Stadt zum Erlebnisraum umzugestalten. Bei allem Verständnis für die Probleme der zentralen Zielgruppe aller Pickelcreme-Hersteller dieser Welt: Das Schmieren ist ein eitel Werk des groben Unfugs, zu ahnden mit kräftigen Tritten in den Arsch und kollektiver Fron, bis dass sämtliche Kosten für die Beseitigung aufgebracht sind. Und sollte ich je ein solches Trottelgesicht bei diesem Tun erwischen, so nehme ich für mein dann fälliges Ausrasten sogar in Kauf, die Ehrenmitglied-schaft in der Schill-Partei angetragen zu bekommen: Hohnlachend ablehnen kann ich das dann immer noch.

PS: Ausdrücklich nehme ich von dieser Kritik natürlich jene kunstsinnigen Mahner und Warner aus, die straßenkünstlerische Botschaften gegen Krieg und Ausbeutung, für ihre Liebsten oder zur Rettung des Hollerlands formulieren: ihnen werde ich allemal gern Farbtopf, Pinsel und Bierflasche zur Unterstützung reichen!

Abschließend ein Hinweis an jene, die an sich meiner heutigen Kabarett-Veranstaltung in der GaDeWe beiwohnen wollten: Diese fällt leider aus, weil mein Töchterchen aus Afrika ziemlich überraschend zu Besuch gekommen ist und schon morgen zwecks Rückreise zum Flughafen gebracht werden muss. Auf geneigtes Verständnis für diese familiär bedingte Absage und ein Wiedersehen beim nächsten Gig hofft mit besten Wünschen für dieses neue Jahr

Ulrich
„Papa“ Reineking