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Kein Wundermittel im Wahlkampf

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt vor einer generellen Einführung von Kombilöhnen. Die Förderung ginge dann nämlich auch an Haushalte, die ein gutes Gesamteinkommen hätten. Die Grünen sind für neue Modelle. Riester „prüft“

von BARBARA DRIBBUSCH

Die Warnung war deutlich: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat sich gestern gegen eine generelle Subventionierung von Niedriglöhnen ausgesprochen. Solche Zuschüsse verbesserten nicht die allgemeine Beschäftigungssituation, erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer.

Engelen-Kefer wies darauf hin, dass in Ostdeutschland bereits ein „Praxistest“ erfolgt sei, an dem man den Effekt breiter Lohnsubventionierungen ablesen könne. In Ostdeutschland wurden über zwei Jahre hinweg an Privatunternehmen großzügige Lohnkostenzuschüsse gezahlt, wenn sie Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte einstellten. Bei diesen so genannten Strukturanpassungsmaßnahmen habe es „massive Mitnahmeeffekte“ gegeben, so Engelen-Kefer. Unternehmen kassierten die Zuschüsse, ohne aber dauerhaft neue Jobs zu schaffen. Nach zwei Jahren Laufzeit wurden die Zuschüsse deshalb wieder an strengere Bedingungen geknüpft. Engelen-Kefer erklärte, dass es derzeit 13 unterschiedliche Kombilohn-Modelle gäbe, die von Baden-Württemberg und Hessen bis nach Sachsen, Bremen und Schleswig-Holstein reichten. Deren Inanspruchnahme aber sei gering. Durch eine flächendeckende Einführung der bisherigen Kombilohn-Modelle könnten allenfalls 10.000 bis 50.000 Beschäftigte hinzugewonnen werden, sagte Engelen-Kefer in Berlin.

Derzeit wird das so genannte „Mainzer Modell“ besonders heftig diskutiert. Danach zahlt der Staat Zuschüsse zu den Sozialabgaben, wenn ein Arbeitnehmer einen sozialversicherten Niedriglohnjob bis zu einem Monatsbrutto von 900 Euro annimmt. Die Zuschüsse bekommt der Beschäftigte, der damit ein höheres Nettoeinkommen in der Tasche hat. Beim Mainzer Modell erhalten Arbeitnehmer auch noch ein Extra-Kindergeld in Höhe von 77 Euro. Die Beschäftigten müssen vorher lange arbeitslos gewesen sein oder Sozialhilfe beziehen, um in den Genuss der Zuschüsse zu kommen. Bisher wurden mit diesem Modell aber nur rund 800 neue Jobs geschaffen.

Sozialminister Walter Riester (SPD) „prüft“ derzeit nach Angaben seines Ministeriums, ob das Mainzer Modell, dass bisher nur in Rheinland-Pfalz erprobt wurde, nicht auch bundesweit anwendbar ist.

Auch die Grünen haben ein neues Modell für einen Kombilohn entwickelt. Danach sollen Langzeitarbeitslose ein Jahr lang 50 Prozent ihres Zuverdienstes ohne Einbußen bei der staatlichen Unterstützung behalten dürfen. Die Grünen befürworten gleichfalls, dass Kleinverdiener Zuschüsse für ihre Sozialbeiträge bekommen. Wer weniger als 920 Euro brutto im Monat verdient, hätte dann Anspruch auf diese gestaffelten Zuschüsse.

Engelen-Kefer warnte gestern jedoch vor einer generellen Förderung niedriger Löhne. Bei einer generellen Subventionierung von Löhnen bis zu 716 Euro würden immerhin 18 Prozent aller Arbeitskräfte gefördert, bei den Arbeitnehmerinnen sogar 30 Prozent. Diese Förderungen würden zudem dann zu einem großen Teil in Haushalte fließen, die bereits jetzt über ein überdurchschnittliches Haushaltseinkommen verfügten.

Nach den Grünen hatte auch SPD-Generalsekretär Franz Müntefering am vergangenen Wochenende Arbeitsmarktreformen angekündigt, ohne konkret zu werden. Die Entscheidungen dazu müssten noch vor der Bundestagswahl fallen. Bundeskanzer Gerhard Schröder hatte in einem Zeitungsinterview gesagt, im Bereich der Löhne zwischen 630 und 1.700 Mark müsse interveniert werden. Konkreter wurde er jedoch nicht.

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