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Applaus für den Sendesaal

■ Pianist Florian Uhlig begeisterte sein Publikum – das wiederum den Ort ehrte

Der erst 25-jährige Pianist Florian Uhlig war angekündigt, und schon um halb acht war im Sendesaal von Radio Bremen kein Platz mehr zu kriegen. Das beweist das Interesse an der Reihe „Auf schwarzen und auf weißen Tasten“ beim Publikum – und: Es war fast eine Demonstration für den akustisch so hervorragenden Konzertsaal. Denn der steht auf der roten Liste bei Radio Bremen, solange um einen neuen Standort für die Rundfunkanstalt noch gerungen wird. Würde das Rundfunk-Gelände an der Bürgermeister Spitta-Allee verkauft, dann wäre schwer vorstellbar, dass ein neuer privater Investor den Sendesaal stehen ließe.

Zurück in dem mit Stühlen zusätzlich vollgestellten Saal. Florian Uhlig spielte ein auf den ersten Blick etwas merkwürdig anmutendes Programm: Johannes Brahms' Klaviervariationen op. 9 über ein Thema von Robert Schumann und Schumanns große Fantasie C-Dur, op. 17, in einem ersten Teil und im Zweiten „Zugaben“, gehobene Unterhaltung mit Stücken von Chopin, Alkan, Granados, Gottschalk und Moszowski, die sich in weitestem Sinne auf Venedig bezogen.

Erst auf einen zweiten Blick wurde diese Wahl schlüssig: Uhlig hat unglaublichen Spaß an einfallsreichen, virtuosen Stücken, an solchen, die auch ein bisschen Ironie enthalten wie die von Moritz Moszowski mit seiner schwungvollen „Caprice espagnol“ oder auch das augenzwinkernde „Souvenir d'Andalouse“ von Louis Marie Gottschalk, dessen wilde Weltbürgerbiographie es Uhlig offensichtlich angetan hat. Und Uhligs eigene Stücke, eine recht naive und blasse Hommage an den indischen Sitaristen Ravi Shankar, ordnen sich hier ein – mehr oder weniger sentimentale Salonstücke.

Die Wiedergaben von Brahms und Schumann zeigten fast einen anderen Interpreten: Sie zeichneten sich aus durch eine stupende Sicherheit und eine fundamental analytische Spielweise. Da verschwimmt nichts und da wird nichts durch Pedal zugedeckt. Für Brahms hätte ich mir noch mehr „Kanten“ gewünscht in dem Sinne, dass Akzente einfach deutlicher gespielt werden. Aber im Entwurf der überdimensionalen C-Dur-Fantasie von Schumann, der zum Zeitpunkt der Komposition genauso alt war wie Uhlig, dieser halbstündigen „tiefen Klage“ um die spätere Frau Clara Wieck, bewies Uhlig seine Fähigkeit zu langatmigen und übergreifenden Konzeptionen. Der drängenden Passioniertheit wurde er ebenso gerecht wie der träumerischen Melodik und Harmonik.

Begeisterter Beifall: Weder wollten die ZuhörerInnen gehen noch hörte Uhlig auf zu spielen. Nach drei Zugaben war es fast halb elf. Diese Konzert-Reihe darf nicht sterben! Ute Schalz-Laurenze

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