: Der Haschprinz von Wales
aus Dublin RALF SOTSCHECK
Er hat Cannabis geraucht. Und er hat übermäßig getrunken. Für einen 17-Jährigen sind das durchaus normale Erfahrungen – aber nicht, wenn man Prinz Harry heißt und an dritter Stelle der britischen Thronfolge steht. Die Untertanen, vertreten durch die Boulevardpresse, sind schockiert. „Harrys Drogenschande“, titelte das Boulevard-Blatt News of the World, während die Mail on Sunday mit der polizeilichen Untersuchung des Falles aufmacht.
Der Lotterprinz hat im vorigen Jahr in seiner Stammkneipe, dem „Rattlebone Inn“ in Sherston, gerne gebechert und auf Partys öfter mal Haschisch geraucht. Auch in Highgrove, dem Schloss des Prinzen, wo er sich im Keller seine eigene Bar „Club H“ eingerichtet hat, sei hin und wieder ein Joint gekreist. Er selbst sei zum Kiffen aber stets in den Garten gegangen, beteuert Harry. Seine „falschen Freunde“, die laut News of the World für sein Abgleiten in die dunkle Welt der Drogen verantwortlich sind, rauchten dagegen ungeniert im Schloss.
Dadurch kam die Sache auch heraus: Die Palastangestellten bemerkten den Geruch von Cannabis und informierten den Vater, Prinz Charles. Der schickte Harry umgehend für einen Tag in die Featherstone Lodge, eine Entzugsklinik für Heroinabhängige. Die Lektion wirkte. Bill Puddicombe, Geschäftsführer der Klinik, sagt: „Mittags ging er in den Speisesaal und staunte, wie spärlich er eingerichtet ist. Es gibt nur einen kleinen Fernseher. Harry war schwer geschockt.“ Die News of the World meint, Harry sei mit einem blauen Auge davongekommen.
„Drogen sind die Seuche des 21. Jahrhunderts“, schreibt das Blatt. „Verzweifelte Süchtige – von denen viele mit ein oder zwei Joints begonnen haben – sind heutzutage verantwortlich für ein beispielloses Maß an Gewaltverbrechen, Straßenraub und Morden, um an Geld für ihre Sucht zu kommen.“
Der geläuterte Prinz versprach seinem Vater, dass seine Drogenkarriere nunmehr beendet sei. „Wir sind stolz auf unsere Arbeit“, sagt Puddicombe. „Sie hat enorm vielen Leuten geholfen. Wir freuen uns, dass Prinz Harry einer davon ist.“ Die Pressesprecherin von Prinz Charles gab bekannt: „Das ist eine ernste Angelegenheit, die innerhalb der Familie gelöst wurde und nun abgeschlossen ist.“
Allerdings nicht für die Boulevardpresse. Die kramte in Harrys Leben herum und förderte eine ganze Reihe Zeugen zutage. „Schon in jungen Jahren war klar, dass Harry später ernste Probleme bekommen würde“, erzählt ein „Freund der Familie“. So soll er bereits als Elfjähriger mit seinen Freunden wilde Alkoholpartys auf der „Alexander“ gefeiert haben, einer Jacht im Wert von 25 Millionen Pfund, die der griechische Reeder John Latsis der königlichen Familie regelmäßig leiht. „Es wurde schwer getrunken und geraucht“, sagt ein Zeuge. „Die Besatzung der Jacht sollte auf die Jugendlichen aufpassen, aber sie behandelten sie wie Erwachsene. Die Gläser wurden gefüllt, sobald sie leer waren. Und nicht mit Cola. Die Kinder besoffen sich mit Tequila und Wodka.“
Im Gegensatz zu den anderen Kindern trank Harry nach dem Urlaub weiter, und zwar im Rattlebone Inn, einer Kneipe, in der es regelmäßig zu Schlägereien kommt, wenn man der Boulevardpresse glauben kann. Der Pub aus dem sechzehnten Jahrhundert ist am Wochenende Treffpunkt für die Dorfjugend, und manchmal lassen sich die Stammgäste nach der Sperrstunde einschließen, um ungestört weiter trinken zu können.
Harry war öfter dabei, und als der französische Manager der Kneipe, François Ortet, ihn zum Gehen aufforderte, wurde er vom Prinzen als „fucking frog“ beschimpft – eine überaus gängige Bezeichnung bei den Briten, die für jede Nation ein Schimpfwort parat haben. Daraufhin habe er Hausverbot bekommen, sich aber nicht daran gehalten.
Warum auch? Im Rattlebone Inn scheint immer etwas los gewesen zu sein. „Erst winkt er im Fernsehen den Massen vom Buckingham Palace aus zu, und im nächsten Moment sitzt er bei uns im Pub“, sagt Stammgast David Bragg, 53. „Es gab schon wilde Zeiten hier mit Harry. Nur die Loyalsten würden das bestreiten. Harry ist ziemlich verrückt. Er war dem Alkohol sehr zugetan, und manchmal tanzte er auf dem Tisch und machte die Mädels an.“
Harry, der das Pech hat, im Aussehen mehr nach seinem Vater als nach seiner Mutter zu kommen, habe einen Standardspruch gehabt, um Mädchen anzubaggern, sagt Bragg: „Hast du Lust, auf einen Drink in meinen Palast zu kommen?“ Bragg habe Harry „aus Scheunen kriechen sehen, voller Stroh“.
Zum 50. Geburtstag von Prinz Charles führten Harry und sein älterer Bruder William einen Sketch auf, bei dem sie einen Striptease andeuteten. „William konnte sich schon immer kontrollieren“, erzählt der Freund der Familie, „aber Harry, damals 14, war so betrunken, dass er sich ganz auszog und splitternackt durch die Geburtstagsgesellschaft spazierte.“
Ingrid Seward, Chefredakteurin des Royalistenmagazins Majesty, behauptet, schon Diana habe sich Sorgen um ihren Jüngsten gemacht. „Er ist der Ungezogene, genau wie ich“, soll sie zu Seward gesagt haben. Prinz Charles sagt über seinen ungezogenen Sohn: „Es hat keinen Sinn, die Wahrheit zu verstecken. Das sind die Fakten. Sollen sich die Leute doch ihr eigenes Urteil bilden.“
Und das machen „die Leute“ gerne. Wenn es Aufgabe der Royals ist, Volk und Nation exemplarisch zu repräsentieren, dann gehören Alltagsprobleme wie die des kiffenden Prinzen allemal dazu. Umso besser, wenn dem Skandälchen sauber begegnet wurde. Die News of the World bewundert denn auch den „erfrischenden Mut und die Ehrlichkeit“ von Prinz Charles und gerät über solch ungewohnte Offenheit geradezu in Verzückung: „Als leuchtender und beneidenswerter Hort der Weisheit unter den Windsors ist er auf dem besten Weg, ein moderner König zu werden.“
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