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Die tun nichts. Die wollen nur spielen

Sind wir nicht alle auch Marionetten? Samuel Becketts „Endspiel“ als Puppentreiben im OstEnd Theater

„Endspiel“ von Samuel Beckett heute und morgen um 20 Uhr im OstEnd Theater in der Boxhagener Straße 99. Karten zu 11/8 Euro unter ☎ 29 00 87 10, Spielplan unter www. ostendtheater.de

„Clov, hast du es nicht satt? – Doch. Was? – Alles. – Seit jeher schon. Du nicht?“ Da gäbe es eigentlich nichts mehr zu sagen. Ein Stück wie ein Motor, der ganz langsam absäuft, bis sich kein Rad mehr dreht. Irgendwas, sagen wir: die Welt, geht zu Ende. „Etwas nimmt seinen Lauf.“ Aber bis dahin müssen Herr und Diener weiter ihr altes Spiel spielen. Es heißt Sich-gegenseitig-fertig-machen. Was sollten sie auch sonst tun? Sie hassen sich mindestens so sehr, wie sie einander brauchen: der blinde Hamm, der nicht stehen kann, aber die letzten Überlebensvorräte besitzt, und sein Diener Clov, der nicht sitzen kann. Würde Clov seinen Herrn wirklich verlassen, wie er beständig androht, stürben sie beide. Und Hamms Eltern gleich mit, die, auf einer wackeligen Tür unter der Decke hängend, nach ihrem Brei schreien und ansonsten ihren Spross aufrichtig hassen. Die vier Akteure des Stücks sind in der sehr lebendigen Inszenierung des OstEnd Theaters skurril-plastoide Puppen, die den Klassiker von Beckett mit neuen Bildern auffrischen. Und das entzückende, allzu menschliche Beziehungsgeflecht zwischen ihnen knüpft ein Mann im Alleingang: Der Puppenspieler Dietmar Blume lenkt ihre Geschicke, singt ihre Monologe, spielt Saxofon und turnt auf der Bühnenkonstruktion herum. Ein Kraftakt, der dem quälenden Stillstand der phlegmatischen Figuren etwas entgegensetzt, so lange es eben geht. Am Ende löscht der Percussionist die Kerzen, das Spiel ist aus, und der Zuschauer bleibt allein mit der besonderen Atmosphäre der Kirche, in der das OstEnd Theater seine Spielstätte hat. Zeit, sich um Gott und die Welt Gedanken zu machen.

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