: Die gefährliche Mentalität der Niederlage
Die Basketballer des deutschen Meisters Alba Berlin verlieren mit dem 72:77 gegen DJK Würzburg bereits ihr drittes Bundesliga-Heimspiel in dieser Saison, fallen in der Tabelle auf den fünften Rang zurück – und büßen weiteren Respekt bei den aufmüpfigen nationalen Konkurrenten ein
„Für uns ist jetzt jedes Spiel Krieg“, erklärte Alba Berlins Trainer Emir Mutapcic nach der schwer verdaulichen 72:77-Niederlage des deutschen Basketballmeisters gegen DJK Würzburg in eigener Halle und fügte hinzu: „Es gibt keine Freundschaftsspiele mehr.“ Das Problem des Coachs dürfte sein, die entsprechende Einstellung seinen Spielern einzutrichtern. Schließlich stehen in den nächsten Wochen noch drei Europaliga-Partien an, deren Ergebnis im Prinzip wurscht ist, weil Alba nach der Niederlage vergangene Woche in Treviso ohnehin nicht mehr die nächste Runde erreichen kann. Dennoch sind diese Spiele tückisch. Mit guten Leistungen und Siegen könnte man sich dort wieder „auf den richtigen Weg bringen“, wie Mutapcic hofft, weitere Misserfolge könnten jedoch zur Frustakkumulation beitragen und eine Mentalität der Niederlage auch in der Bundesliga schaffen.
Bestes Beispiel, wie so etwas funktioniert, war das Match vom Samstag gegen die hoch motivierten Würzburger, bei dem die Alba-Spieler noch eine gehörige Portion der Lethargie aus dem 71:100-Debakel von Treviso im Leib zu haben schienen. „Wir haben keine offenen Würfe getroffen und waren nicht genug aggressiv“, umschrieb Mutapcic die Tatsache, dass die Gastgeber in der zweiten Halbzeit auf eine wahrlich hundsmiserable Trefferquote von 25 Prozent kamen. „Das habe ich noch nie erlebt“, musste der Coach zugeben, der aber auch mit der Leistung in der Abwehr nicht zufrieden war, wo sich vor allem Marvin Willoughby und Eric Poole immer wieder im Eins-gegen-eins durchsetzten. In der zweiten Halbzeit wirkte es zeitweise so, als stünde für Alba nur Center Dejan Koturovic auf dem Feld, der 18 Punkte und stolze 16 Rebounds holte. Das lag aber auch daran, dass die Würzburger, bei denen der aus Italien zurückgekehrte Exnationalspieler Denis Wucherer – mittlerweile in Haartracht und Statur an den späten John Travolta gemahnend – inzwischen das Spiel organisiert und für bessere Zeiten sorgen soll, meist ohne Center spielten, um die Alba-Defense mit kleineren, schnellen Leuten aushebeln zu können.
Die Pleite gegen Würzburg war bereits die 13. Saisonniederlage des von einer anhaltenden Verletzungsserie geplagten Champions. Das Problem sind dabei weniger die acht verlorenen Matches in einer sehr stark besetzten Europaliga-Gruppe, sondern die fünf in der Bundesliga, von denen nur zwei (Leverkusen und Köln) gegen Spitzenteams zustande kamen. Angesichts der starken Konkurrenz in diesem Jahr kann sich das Team, das aus den Reihen der Titelaspiranten nur die Skyliners Frankfurt noch zu Hause empfängt, nach Köln, Leverkusen und Bonn aber reisen muss, von der gewohnten Pole Position für die Play-offs, die das Heimrecht in den entscheidenden Spielen jeder Serie garantiert, als aktueller Tabellenfünfter fast schon verabschieden.
Weit schwerer wiegt jedoch, dass die anderen Teams jenen Respekt verloren haben, der Alba in kritischen Phasen oft die Oberhand behalten ließ. Gleichzeitig fehlt den Berlinern die gewohnte Siegessicherheit. Gegen Würzburg war nichts von dem zu spüren, was Frankfurts Pascal Roller „die gesunde Arroganz“ nannte, mit der Alba seine Gegner einst spüren ließ, dass für sie nichts zu holen war.
„Jeder hat gesehen, dass es so nicht weitergeht“, räumte Vizepräsident Marco Baldi erstmals eine gewisse Krisenhaftigkeit ein. Dramatische Veränderungen sind aber kaum zu erwarten. „Intern“ werde man die Probleme ansprechen, erklärte Baldi. Emir Mutapcic will vor allem „die Motivation“ neu schüren. „Dann kommt auch Aggressivität.“ MATTI LIESKE
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