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Die UNO lenkt in Goma ein

Das Welternährungsprogramm will nun doch Lebensmittel in der zerstörten kongolesischen Stadt verteilen. Das Misstrauen zwischen der UNO und der Bevölkerung ist groß – aus historischen Gründen

von DOMINIC JOHNSON

Die UNO hat in Goma eine abrupte Kehrtwende vollzogen. Nachdem sie sich am Montag noch geweigert hatte, den 400.000 Einwohnern der in weiten Teilen von einem Vulkan zerstörten kongolesischen Stadt zu helfen, kündigte sie gestern den Beginn groß angelegter Lebensmittelverteilungen an und veröffentlichte zugleich in New York einen Sofortappell für Gomas Vulkanopfer. „Wir haben von Vulkanexperten gehört, dass die Lage jetzt sicher ist“, erklärte die Vertreterin des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Goma, Laura Mello, der taz. „Wir werden nun mit der Verteilung beginnen.“

Zunächst sollten die nach WFP-Angaben 60.000 Goma-Flüchtlinge in der Kleinstadt Sake 30 Kilometer westlich von Goma versorgt werden sowie 40.000 im benachbarten Masisi-Hochland. In Goma würden ab heute 120.000 Menschen in den Genuss von UN-Lebensmitteln kommen, versprach Mello.

Damit kommen endlich die 1.000 Tonnen Lebensmittel zum Einsatz, die das WFP seit vor dem Vulkanausbruch vom 18. Januar in Goma bunkert. Bisher hatte das WFP sich aus Sicherheitsgründen geweigert, die Güter zu verteilen – eine Entscheidung, die international auf heftige Kritik gestoßen war. Mit den 1.000 Tonnen könnten jetzt 200.000 Menschen jeweils eine Ration für eine Woche kriegen, meinte Mello. Weitere 6.000 Tonnen sollten aus UN-Beständen in Ruanda geliefert werden, 1.000 Tonnen aus Kongos Hauptstadt Kinshasa.

Der in New York in der Nacht zu gestern veröffentlichte UN-Hilfsappell für Goma fordert 15 Millionen US-Dollar, mit denen 350.000 Menschen versorgt werden sollen. Davon sind 4 Millionen Dollar für Lebensmittel vorgesehen, 3 Millionen für die Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung, 2,5 Millionen andere Hilfsgüter und 2 Millionen für Notunterkünfte.

Umfangreiche Koordinationsanstrengungen sind nun in Goma nötig, um den plötzlichen Ausbruch von Hilfsbereitschaft bei der UNO mit den Aktivitäten anderer Hilfswerke und kongolesischer Gruppen zu vereinbaren. In Goma herrscht großes Misstrauen gegenüber der UNO, das historisch gewachsen ist. Viele Menschen im Osten des Kongo führen die Konflikte ihres Landes auf das Jahr 1994 zurück, als die UNO über eine Million ruandische Hutu-Flüchtlinge am Rande der kongolesischen Städte Goma und Bukavu ansiedelte und üppig versorgte, während die verarmten einheimischen Bevölkerungen nicht gefragt wurden und leer ausgingen.

Wären diese Flüchtlinge – darunter viele Täter des Völkermords an Ruandas Tutsi im Frühjahr 1994 – nicht von der UNO angesiedelt, sondern sofort repatriiert worden, so eine gängige Meinung, dann wäre nicht 1996 Ruandas Regierungsarmee im Ostkongo einmarschiert, um die in den Flüchtlingslagern basierten Hutu-Milizen zu zerschlagen, und die beiden Kongokriege seither wären nicht passiert. Seit 1998 regiert im Osten Kongos die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie); das Land ist geteilt.

Ähnlich schwere Zerstörungen, wie sie der Vulkan Goma zufügte, haben marodierende Milizen in Tausenden von Dörfern des Ostkongo angerichtet. Ein Drittel der Bewohner Gomas sind Kriegsflüchtlinge, die vor solchen Feldzügen fliehen mussten. Jeder in Goma hat irgendwann in seinem Leben Krieg und Vertreibung erlebt. Dies hat die UNO nie sonderlich interessiert.

Der seit 1999 im Kongo stationierten UN-Mission „Monuc“, die seit knapp einem Jahr offiziell als aktive Blauhelmmission zur Friedenserzwingung agiert, hätte sich die Möglichkeit bieten können, den Ruf der UNO aufzubessern – zumal die letzte Blauhelmmission der UNO in der Region, 1993–94 in Ruanda, eine unrühmliche Rolle beim Ignorieren des ruandischen Genozids spielte. Diese Chance hat die UNO verpasst. Ihre Soldaten haben kein einziges Mal in die weiter tobenden Kämpfe zwischen Milizen im Ostkongo eingegriffen, und ihre Beobachter wagen sich nur höchst selten in gefährliches Gebiet. Für die Kongolesen ist die Monuc unsichtbar.

In Goma ist das Ansehen der Monuc besonders schlecht. Das große UN-Gelände am Flughafen ist entgegen dem Anschein keine militärische Basis, aus der heraus Blauhelmsoldaten agieren, sondern eine reine logistische Basis für die Versorgung der eigentlichen ostkongolesischen Monuc-Stützpunkte in den Städten Kisangani und Kalemie. Die 238 Blauhelme aus Marokko, die bis zum Vulkanausbruch in Goma stationiert waren, hatten alleine die Aufgabe, UN-Gerät zu schützen. Als der Vulkan ausbrach und die Lava auf die Basis zufloss, flogen sie nach Kisangani und sind bis heute nicht zurückgekehrt.

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