: Das Gute bewahren
■ 200 Anwohner protestieren für den verkehrsberuhigten Grindelhof
Die Anwohner des Grindelhofs sind gestern Abend auf ihre Straße gegangen. Rund 200 Menschen demonstrierten ab 18 Uhr gegen die Pläne des schwarz-schill-gelben Senats, die Fahrbahn wieder in beide Richtungen für den Autoverkehr zu öffnen. Zwischen Grindelallee und Hallerplatz nahmen sie für eine Abendstunde das Viertel in Besitz. Die Leute vom benachbarten Kino halfen den Demonstranten mit Glühwein durch das nasskalte Wetter. Nach Abschluss der Kundgebung übernahm ein Restaurant die Verköstigung.
Für die beiden Betriebe hat sich die Beruhigung des Grindelhofs keineswegs negativ ausgewirkt. Nicht nur die Anwohner-Initiative vermutet, dass bei den Geschäften, die infolge des Umbaus Umsatz-Einbußen verzeichneten, andere Gründe entscheidend waren.
„Wir haben vor 20 Jahren schon mal hier gewohnt“, sagt Anwohner Henning Seehusen. „Wenn die Straße noch so stark durchfahren würde, wären die Läden leer.“ Seehusen ist zusammen mit seiner Frau Gertrud nach der Verkehrsberuhigung ins Viertel zurückgekehrt, weil es schöner geworden sei. „Früher war das hier die Hölle“, erinnert er sich.
Ähnlich urteilt Manfred Meyn. Der Student wohnt seit vier Jahren in einem Wohnheim direkt am Grindelhof. Er kennt die Straße vor, während und nach dem Umbau. Früher sei er zur Unzeit aufgewacht und habe kaum das Fenster öffnen können. Inzwischen sei die Straße „ganz schön geworden“, findet er, ein Rückbau wäre Verschwendung.
Anette von Laffert, eine Rollstuhlfahrerin, fühlt sich getäuscht wie die Seehusens. Sie sei hergezogen, als von einem Rückbau keine Rede war, sagt sie. Ihr steht zwar ein Behinderten-Parkplatz zur Verfügung, doch sie fürchtet, dass er ihr nach einem Rückbau und entsprechend mehr Verkehr wenig nutzen würde. „Ich hätte keine Chance, heil einzusteigen“, glaubt die junge Frau.
Während der Demonstration wurden Unterschriften für das Bürgerbegehren verteilt, das die Anwohner-Initiative Anfang Januar eingereicht hat. Sie hofft, den Senat auf diese Weise zum Umdenken zu bewegen. Gernot Knödler
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