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berliner szenenViel Lärm um nichts

Nicken und winken

Es ist Donnerstagabend, wir gehen in die „Paris Bar“. An der Eingangstür steht der „Maître de Terrain“. Er ist so Mitte Sechzig, trägt ein dunkelkariertes Jackett und einen Seidenschal um den Hals. Jemand nennt ihn Wolfgang. Sein Job ist es, die Gäste auszusortieren. Touristen haben hier keine Chance. Wir schon, denn Wolfgang nickt, winkt und reißt das „Reserviert“-Schild von einem Minizweiertisch in Fensternähe. Wir haben es geschafft: in die „Paris Bar“, zur Prime Time.

Es ist 23 Uhr, die Edelhütte brummt. Ringsum sitzen Menschen an Tischen, die komisch angezogen sind, wie altgewordene Jurastudenten und Chanel-Verkäuferinnen. „Westberliner Promi-Adel“ sagt mein Begleiter. Ich kenne keinen. Die Damen haben voll „aufgelegt“, und tragen hautenge Fummel. Manche 50-Jährige sieht so „alterslos“ aus wie Iris Berben. Die Menschen hier machen Krach, geben Bussi und gestikulieren. Mein Begleiter sagt, bei denen gehe es um „nichts“. Er ist schon öfter hier gewesen. Das Nichts ist ziemlich laut. Luigi, der Kellner, nähert sich unserem Tisch mit einem gebrüllten „Bonsoir“. Auf der Couch klemme ich zwischen einem Werber und einem Theatermann, der sein 0,2 Liter-Babypils wegschüttet, und alle paar Minuten zum Barmann herüber schreit „Machste noch drei ?!“

Luigi bringt uns egal schmeckenden Rotwein mit Kork für zehn Mark das Glas. Der Werber regt sich über seine Assistentin auf; die würde sich nicht „voll einbringen“. Später geht es am Tisch der „Kreativen“ um Sex mit Rothaarigen. Ich will die Ohren verschließen und mich auf meinen Ziegenkäse einschwingen. Es gelingt mir nicht. Ich hänge in den Gesprächen der anderen fest. Rolf Eden kommt zur Tür herein. Er sieht ganz gut aus.

JANA SITTNICK

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