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Das große europäische Gefühl

200 Berliner engagieren sich bei den „Jungen Europäischen Föderalisten“ – auch weil Europa bei den anderen Parteien ein Randthema ist. Europa muss transparenter und demokratischer werden, forderten sie auf dem Kongress am Wochenende

von MARKUS MÜNCH

Fünf Minuten reichen Jan Kreutz nicht, um seine Begeisterung für Europa auszudrücken. Er redet von „faszinierender Vielfalt“ und davon, dass er sich erst richtig wohl fühlt, wenn er mit vielen anderen Nationalitäten zu tun hat, die alle etwas zu seiner Vorstellung von einem wirklich vereinten Europa beitragen können. Fünf Minuten sind wirklich wenig Zeit, um eine Vision für Europa zu erklären. Aber mehr werden die Jungen Europäischen Föderalisten, kurz JEF, nicht haben, wenn der europäische Konvent sie anhören wird. Das neue Gremium soll grundsätzliche Fragen zu Europa klären, und dabei könnte, so hoffen die Föderalisten, eine europäische Verfassung herauskommen. „Das ist jetzt spätestens der Zeitpunkt, um Einfluss auf die Entwicklung von Europa zu nehmen“, sagt der 21-jährige Berliner Kreutz und fügt souverän hinzu: „Wir sind da ein bisschen privilegiert, weil wir schon viel in dieser Richtung gemacht haben.“

Jan Kreutz ist in seinem Element. Europa ist für ihn nichts Abstraktes, sondern eher ein Schlüsselwort, mit dem man den Visionär in ihm aktiviert. „Im Endeffekt stelle ich mir natürlich eine weltumfassende Völkergemeinschaft vor“, schwärmt er, schiebt den Gedanken beiseite und setzt dann doch hinterher: „Aber wer weiß, vielleicht erleb ich es noch, bin ja noch jung.“

Jan Kreutz hat sein Leben auf seine europäische Idee ausgerichtet, arbeitet in der Woche fast 30 Stunden für die JEF, sagt er. Als stellvertretender Vorsitzender der Organisation hat er sogar ein Büro in Brüssel – für die Lobbyarbeit. Eigentlich studiert er am Berliner Otto-Suhr-Institut Politikwissenschaften.

Das Studium hat er gewählt, um besser zu verstehen, wie politische Prozesse funktionieren. Jetzt will er sie nutzen, um eigene Vorstellungen durchzusetzen. Denn die JEF mache nicht nur Werbung für die EU. „Wir sagen ja nicht, dass alles super ist. Wir sind kritisch und denken, dass es eine gute Chance gibt, etwas zu verändern.“ Für Kreutz ist klar: „Ich bin zuerst Europäer, dann Berliner und dann noch Deutscher.“

Florentina Bodnari ist Moldawierin. Und damit keine Bürgerin der Europäischen Union. Europäerin sei sie trotzdem, meint sie. „Ich bin zweisprachig aufgewachsen und habe in Frankreich studiert. In Europa fühle ich mich wohl.“ Bodnari hat sich entschieden, wo sie ihr Land gerne sehen würde: in Beitrittsverhandlungen mit der EU. Und dabei würde sie selbst auch gern mithelfen.

Doch in ihrer Heimat seien sich nicht alle so sicher, erklärt sie. „Viele wissen noch nicht genau, wozu sie gehören: mehr zu Russland oder zu Rumänien.“ Sie hat Angst, dass in Moldawien die alten Kader wieder an die Macht kommen und sich von Europa abwenden.

Bodnari arbeitet in Berlin gerade an ihrer Dissertation – mit dem Thema „Föderalismus“. In ihrer Freizeit organisiert sie für die JEF die Arbeitsgruppe zur Osterweiterung der EU – so kann sie wenigstens ein bisschen Einfluss nehmen. Dass daraus aber ein Positionspapier wird, das seinen Weg durch die Gremien bis zu den zuständigen Europapolitikern finden könnte, glaubt Florentina Bodnari nicht.

Die Jungen Europäischen Föderalisten sind selbst eine komplizierte Organisation, aber – im Gegensatz zu den europäischen Gremien – offen für alle, betonen die Mitglieder. Hier könne man ganz anders arbeiten als in einer Partei, meint Marc-Oliver Pahl. Er ist Mitglied bei den Grünen und engagiert sich trotzdem bei der Union der Europäischen Föderalisten (UEF), der Dachorganisation der JEF auf europäischer Ebene. „In den Parteien ist Europa oft nur ein Randthema“, sagt er, „darauf hat man als einfaches Mitglied gar keinen Einfluss.“ Deshalb sei die Jugendorganisation eine gute Ergänzung, und eigene Kontakte nach ganz oben gibt es auch: Pahl kennt viele Europapolitiker persönlich, zum Beispiel den SPD-Europaparlamentarier Jo Leinen, der gleichzeitig Präsident der UEF ist. Oder die Berlinerin Sylvia-Yvonne Kaufmann, die nicht nur für die PDS im Europäischen Parlament sitzt, sondern auch Mitglied des Konvents ist. Über diese Kontakte finden die Ideen der JEF Gehör, ihr Kommentar zum Vertrag von Nizza zum Beispiel, den sie für einen schweren Rückschlag halten. Ganz im Gegensatz zur Euroeinführung. Die halten sie für rundum gelungen, trotz teilweise erheblicher Preiserhöhungen. Kein Grund für Kritik? Marc-Oliver Pahl ist etwas irritiert von dieser Frage, möchte lieber wieder über die strukturellen Probleme in der EU-Führung sprechen. Offenbar hat er selbst schon ein bisschen vergessen, wofür er sich ursprünglich eingesetzt hat: dass die Europapolitik nicht die Bodenhaftung verliert und auch die ganz praktischen Probleme bei den Politikern Gehör finden.

Gar keinen großen Anspruch an die politische Arbeit hat Mathilde Grammont. Sie ist für ein Jahr in Berlin und recht schnell zur JEF gekommen – einfach um ein paar Leute kennen zu lernen. Natürlich setzt auch sie sich für Europa ein, schließlich profitiert sie von der Förderung durch das Erasmus-Programm. Ob die Deutschen engagierter für Europa sind, kann sie nicht genau sagen. „Es ist anders hier, in Frankreich ist alles zentralistisch. Es ist interessant zu sehen, wie ein föderales System funktioniert.“ Auch wenn alle immer von einer „Familie der Föderalisten“ reden, so vertraut findet Grammont den Umgang innerhalb der Organisation nicht. „Die sind zwar alle sehr nett, aber man ist in erster Linie Mitglied, um eine Idee umzusetzen“, sagt sie, „und daran arbeiten alle sehr engagiert.“ Für sie ist Europa eher ein Hobby – aber vielleicht macht sie daraus auch mal einen Beruf.

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