: In See gestochene Worte
■ Die Gedichte der Bremer Autorin Sabine Heddinga
Feucht geht es in Sabine Heddingas Texten zu. Ophelien und andere Wasserfrauen treiben durch die Verse, Worte sinken auf den Gedichtgrund und tauchen an der Zeilenoberfläche wieder auf. Das ist in ihrer Lyrik ein langer ruhiger Fluss, die Menschen ihm ähnlich.
Eine Affinität zum Wasser hat die an der Nordseeküste geborene Sabine Heddinga schon immer gehabt. Selbst in ihren Land-Art-Projekten beschäftigte sich die Künstlerin mit dem Meer als Element des Lebens und als Symbol für die Zeit. Nach ihrem Studium an der Bremer Kunsthochschule arbeitete Sabine Heddinga mehrere Jahre als Fotografin, bevor sie – erst nur nebenbei, dann immer ernsthafter – zu schreiben begann. Auf die von ihr selbst illustrierten Kinderbücher wie etwa „Die Geschwister Fiese-Miese“ folgten Prosatexte und im vergangenen Jahr der Gedichtband „Das Ohr in den Buchstaben“, den sie im Eigenverlag herausgegeben hat.
Dass Heddinga neben sprachlicher Sensibilität auch über gestalterisches Talent verfügt, belegt ihr Künstlerbuch. Meereswogen bebildern den schmalen Band, bunt getöntes Papier trennt die typografische gestalteten Gedichte voneinander.
Sabine Heddingas Stärke ist das Lyrische. Für die Prosa fehlt ihr häufig der lange Atem, ihre Erzählungen „Die siebenmännrige Frau“ und „Heute 28.7.88“ wirken vergleichsweise luftig. Oft misslingt ihr in den dialogisch aufgebauten Texten auch die leise Lakonik, die ihre Gedichte auszeichnet: „Das Meer / Sie sah, sieht, hat gesehen – das Meer. / Mehr als Meer / sah sie da! / So, als wenn es vorher nicht da – war. Sah sie das, / was doch immer schon da war!“
Der Titel „Das Ohr in den Buchstaben“ verweist auf das zweite große Thema der Bremer Autorin – neben dem Wasser. In „Staben, ungesprochene Staben“ beschreibt sich die Lyrikerin als Sprachrohr der Worte, die hier ganz körperlich aufgefasst sind und gegen die Stille, den horror vacui jedes Schreibenden ankämpfen. „Selbstlaute, ohne ein Lauten. / Konsonanten / durchqueren leer / Fleisch und Blut. / In den Röhren kein Hören / windstille im Rachen. / Innen prallen sie / unerhört / dem Gaumen entgegen. / Stille ist außen / der Mund sendet nicht mehr. / Nur Stille sendet er. / Die Worte / unter den Tälern / des langen, wehenden Haares entbunden / verweilen / umschmiegen / zerkratzen / dichten / den Hals.“
Doch so weit sind beide Bereiche nicht voneinander entfernt, schreibt Heddinga sich doch mit ihren Meeres- und Flussgedichten in die literarische Tradition ein und diese fort.
Als „Tautologien in Bildern“ bezeichnet die Autorin ihre Lyrik, die in vielem von Ingeborg Bachmann beeinflusst scheint. Ähnlich dunkel und verrätselt sind ihre Metaphern, die jedoch nicht die pathetische Wucht und die Kompromisslosigkeit der Bachmann erreichen.
Mit dem Etikett „Frauenliteratur“ könne sie nichts anfangen, sagt Sabine Heddinga. Zwar haben ihre Gedichte einen ganz eigenen Klang, doch in die Schublade weiblichen Schreibens möchte sie sich nicht stecken lassen. Zu Recht, denn Heddingas Lyrik ist eine kleine Entdeckung und kann durchaus für sich stehen. Da bleibt nur zu hoffen, dass sie wie in „Staben, ungesprochene Staben“ noch viele Worte aus der Sprachlosigkeit erheben wird. Annette Hoffmann
Der Gedichtband „Das Ohr in den Buchstaben“ ist in der Buchhandlung im Ostertor erhältlich. Öffentliche Lesungen sind geplant und werden im taz-Veranstaltungskalender angekündigt
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